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Schweig um dein Leben

Schweig um dein Leben

Titel: Schweig um dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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Ohren, da reicht schon eine Kleinigkeit, um sich verdächtig zu machen.«
    Das war der Moment, in dem ich ihm von Abby hätte erzählen sollen und davon, dass Larry meinen Bruder ohne Kontaktlinsen gesehen hatte. Aber ich war einfach zu wütend dazu. Wortlos rannte ich in mein Zimmer und knallte die Tür hinter mir zu.

ELF
    In dieser Nacht weinte ich mich in den Schlaf und war innerlich so erschöpft, dass ich nicht einmal träumte. Am nächsten Morgen wachte ich nicht von allein auf, sondern weil mich jemand sanft an der Schulter rüttelte.
    »Guten Morgen, Schatz«, hörte ich Dad leise sagen und öffnete widerstrebend die Augen. Durch mein winziges Zimmerfenster strömte das erste, noch blassrosa Licht des Tages herein. »Deine Mom und ich haben beschlossen, dass es höchste Zeit für eine Mini-Tour ist.«
    »Ihr habt was?« Das war das Letzte, womit ich gerechnet hätte. »Eine Mini-Tour in Grove City? Kann mir nichts Spannenderes vorstellen«, fügte ich verächtlich hinzu.
    »Vollkommen richtig, Liebes«, lachte Dad gutmütig. »Wir fahren nämlich nach Disney World. Das liegt gerade mal zwei Stunden von hier entfernt, aber wenn wir den ganzen Tag dort verbringen wollen, sollten wir bald los.«
    »Ohne mich«, brummte ich. »Ich hab keine Lust, zwei Stunden im Auto zu hocken, nur um Mickey Mouse zu treffen.«
    Dad setzte sich zu mir aufs Bett und drückte meine Hand. »Ich weiß, wie enttäuscht du bist, dass du auf der Schule kein Tennis spielen darfst, und ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen und alles anders machen. Aber das kann ich nicht, und deswegen bleibt uns nichts anderes übrig, als irgendwie mit der Situation, in die ich uns gebracht habe, fertigzuwerden.«
    »Wie hast du es überhaupt so weit kommen lassen können, Dad?«, fragte ich verzweifelt.
    »Das habe ich mich selbst schon ungefähr eine Million Mal gefragt«, antwortete er leise. »Eine Weile habe ich mir eingeredet, dass ich bloß getan habe, was jeder verantwortungsvolle Bürger für sein Land getan hätte. Aber die Wahrheit ist, dass ich ein Mal ein Held sein wollte. Als Kind war ich einer dieser Schwächlinge, auf denen die anderen ständig herumgehackt haben, und meine Jugendzeit habe ich nur überlebt, weil Max auf mich aufgepasst hat. Ich war ihm dankbar dafür, aber mein Ego hat ziemlich darunter gelitten. Als ich deine Mom kennenlernte, jobbte ich bei einem Skiverleih in einem Wintersportort, wo sie gerade mit einer Freundin von der Uni Urlaub machte. Wir verliebten uns, und ich überredete sie, mit mir durchzubrennen und heimlich zu heiraten. Als ihre Eltern davon erfahren haben, hätten sie sie fast enterbt.«
    »Ich dachte immer, Grandpa hätte dir deine Stelle im Frachtbüro verschafft«, sagte ich.
    »Stimmt, weil er seine Tochter nicht verlieren wollte, es aber gleichzeitig nicht ertragen konnte, dass sein Schwiegersohn keinen Vorzeigejob hatte. Also hat er seine Beziehungen zu Southern Skyways spielen lassen und uns das Haus in Norwood gekauft. Irgendwann fand deine Mutter schließlich einen Verlag, der ihr erstes Buch veröffentlichte, und kurz darauf war sie der neue Stern am Schriftstellerhimmel. Nur ich hatte nichts Eigenes auf die Beine gestellt, und als ich durch Max dann die Chance bekam, endlich auch einmal etwas im Leben zu erreichen …« Er hielt inne. »Keine Ahnung, warum ich überhaupt versuche, mich zu rechtfertigen. Ich hab es vermasselt, und wir haben keine andere Wahl, als irgendwie das Beste daraus zu machen.«
    »Trotzdem«, entgegnete ich. »Sprechende Mäuse sind nicht unbedingt das, was ich mir unter ›irgendwie das Beste daraus machen‹ vorstelle.«
    »Okay«, sagte Dad geduldig. »Worauf hättest du stattdessen Lust? Der Vergnügungspark Cypress Gardens ist auch nicht weit. Oder wir fahren nach Sarasota und verbringen den Tag am Strand.«
    Als ich sah, wie viel Mühe er sich gab, mir eine Freude zu machen, bekam ich ein schlechtes Gewissen. Plötzlich sah ich wieder den sanftmütigen Mann mit dem jungenhaften Gesicht vor mir, der mir vor dem Einschlafen Gutenachtgeschichten erzählt hatte, als ich noch klein gewesen war. Dabei hatte er immer die Stellen abgeändert, von denen er wusste, dass sie mich ängstigten, sodass die sieben jungen Geißlein am Ende gemeinsam mit dem Wolf auf der Wiese spielten und Schneewittchen und ihre Stiefmutter ein Herz und eine Seele waren. Hätte er doch bloß auch die Geschichte unserer Familie einfach umerzählen können.
    »Schon gut, Dad«, lenkte

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