Schweig um dein Leben
an.«
»Okay«, sagte ich, froh, dass mir die Entscheidung für den Moment abgenommen war. »Gute Nacht und noch mal vielen Dank für alles.«
Als ich ins Haus kam, wusste ich sofort, dass Mom und Dad wieder gestritten hatten. Sie saßen lesend im Wohnzimmer auf dem Sofa – Mom am einen, Dad am anderen Ende –, aber die Stimmung im Raum war zum Schneiden. Fast glaubte ich, das Echo der schrillen Vorwürfe zu hören, die sie sich gegenseitig an den Kopf geworfen hatten. Dads jungenhaftes Gesicht, das immer in seltsamem Kontrast zu seinem zurückgehenden Haaransatz gestanden hatte, wirkte ausgezehrt und bitter; um seinen Mund hatten sich tiefe Falten gegraben. Mom sah erschöpft aus und hatte glasige Augen, vor ihr auf dem Tisch stand ihr mittlerweile obligatorisches Glas Orangensaft. Vielleicht lag es an dem grellen Deckenlicht, aber die beiden kamen mir um Jahre gealtert vor, seit wir Norwood verlassen hatten.
Offensichtlich hatten sie auf mich gewartet, denn als ich ins Wohnzimmer trat, legten sie sofort ihre Bücher beiseite. »Dein Vater möchte etwas mit dir besprechen«, sagte Mom. Sie sprach langsam, als hätte sie Angst, ihre Zunge könnte sich verheddern. »Ich sehe die Sache zwar anders, aber anscheinend zählt meine Meinung neuerdings nicht mehr.«
»Worum geht es?«, fragte ich nervös.
»Larry hat heute Abend etwas gesagt, das mir keine Ruhe gelassen hat«, sagte Dad. »Ich habe Tom Geist angerufen und mich mit ihm besprochen, und er sieht die Angelegenheit genau wie ich. Es tut mir leid, Schatz, aber wir halten es für besser, wenn du dich nicht für das Tennisteam deiner Schule anmeldest.«
»Wie bitte?«, rief ich entsetzt. »Warum soll ich auf einmal kein Tennis mehr spielen dürfen?«
»Ich habe nicht gesagt, dass du kein Tennis mehr spielen darfst«, versicherte Dad mir hastig. »Nur eben nicht im Schulteam. Du weißt selbst, wie gut du bist. Es würde nicht ausbleiben, dass du bei Turnieren immer einen der obersten Plätze belegst.«
»Du willst nicht, dass ich spiele, weil ich zu gut bin?«
»Larry hat gesagt, dass Tennis in Grove City die Sportart Nummer eins ist«, sagte Dad. »Das bedeutet, dass gute Spieler hier besonders wahrgenommen werden und über sie in der Zeitung berichtet wird. Bei deinem Können schaffst du es locker, dich für die nationalen Meisterschaften zu qualifizieren. Und wir können es uns einfach nicht erlauben, derartige Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen.«
»Aber wer soll mich denn als Val Weber erkennen? Genau aus dem Grund haben wir doch unsere Namen geändert!«
»Dieser Mike Vamp hat vermutlich mehr Informationen über uns, als gut für uns ist«, seufzte Dad. »Der Mann ist ein Profi und hat mit Sicherheit alle Fakten über uns zusammengetragen, die er finden konnte. Er wird wissen, dass ich eine Tochter habe, die ein Tennis-Ass ist. Er wird wissen, wie alt du bist, in welche Klasse du gehst und wie du aussiehst. Wir können nicht verhindern, dass auf den Turnieren Fotos von dir gemacht werden, und wir können einer Zeitung nicht verbieten, einen Artikel über dich im Sportteil zu veröffentlichen.«
»Aber Tennis ist alles, was mir aus meinem alten Leben geblieben ist und womit ich auf der neuen Schule wenigstens ein bisschen punkten kann. Und jetzt verlangst du von mir, sogar das aufzugeben?« Ich versuchte, meine Stimme unter Kontrolle zu halten, aber sie wurde wie von selbst immer lauter, so als würde eine unsichtbare Hand am Lautstärkeregler drehen. Ich wirbelte zu meiner Mutter herum. »Mom, bitte! Du kannst nicht zulassen, dass er mir das antut!«
»Wie schon gesagt, meine Meinung ist hier nicht mehr gefragt. Dein Vater hat entschieden, dass wir alles aufgeben müssen, was uns einmal wichtig war, und wir haben zu gehorchen.« Mom hievte sich schwerfällig aus dem Sofa und schwankte in Richtung Küche. »Ich hole mir noch ein Glas Orangensaft.«
»Ich glaube, für heute hast du genug«, fuhr Dad sie scharf an und fügte etwas sanfter hinzu: »Bitte setz dich wieder und lass uns in Ruhe darüber reden.«
»Wozu?«, gab Mom zurück. »Tom und du, ihr stellt die Regeln auf, und wir anderen müssen sie befolgen. Ich habe meine Karriere aufgegeben, und April wird das Tennis an den Nagel hängen, aber erwarte nicht von uns, dass wir damit glücklich sind.«
»Der Name unserer Tochter ist Valerie«, korrigierte Dad sie. »Solche Patzer dürfen uns noch nicht einmal unterlaufen, wenn wir unter uns sind. In so einer Provinzstadt haben sogar die Wände
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