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Schweig wenn du sprichst

Schweig wenn du sprichst

Titel: Schweig wenn du sprichst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roel Verschueren
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er.
    »Nein. Ich schalte das Babyfon ein und teste, ob es funktioniert. Dann hast du heute Abend frei, falls du runter in die Bar gehen möchtest. Geh doch mal mit dem Headset nach unten und sag mir, ob du mich hörst.«
    Ein paar Minuten später setzte sich Lilly neben ihn und fragte, ob er etwas essen wolle.
    »Nur etwas trinken, und dann fahre ich weiter«, sagte Victor.
    Sie bestellten beide ein Glas Wein.
    »Wo fährst du zuerst hin?«, fragte Lilly.
    »Zum Bahnhof Graz-Wetzelsdorf. Wenn alle Informationen, die ich inzwischen gesammelt habe, stimmen, dann ist Alberts Zug dort am 1. April 1942 angekommen. Vielleicht auch einen Tag später, am frühen Morgen. Ich habe das Kontingent, mit dem er gereist ist, in einem der Bücher, die ich über eBay bestellt habe, wiedergefunden. Ich habe keinen absoluten Beweis dafür, dass er tatsächlich dabei war, aber da kann ich mich nur auf Marcels Angaben verlassen. Laut Nachschlagewerk wurden sie nach ihrer Ankunft in die ›Adolf-Hitler-Kaserne‹ gebracht. Über das Internet habe ich herausgefunden, dass sie jetzt ›Belgier-Kaserne‹ heißt. Sie dürfte nicht so schwer zu finden sein. Und von da an bin ich wieder blind.«
    »Ich würde so gern mitkommen.«
    »Vielleicht, wenn es sich lohnt, fahren wir morgen auf dem Rückweg noch mal kurz dort vorbei.«
    »Ich hoffe wirklich für dich, dass was dabei herauskommt«, sagte Lilly. »Bis später.«
    Victor umarmte sie.
    Er parkte sein Auto direkt vor der Kaserne. Victor hatte von dem Mann an der Tankstelle erfahren, dass er der Straßgangerstraße ungefähr zweieinhalb Kilometer folgen und einfach auf der linken Seite nach dem absolut hässlichsten Gebäude, das er sich vorstellen könnte, Ausschau halten solle. Der Mann hatte wiederholt, dass das Gebäude das ultimative Beispiel für militärische Unattraktivität sei und er es deshalb gar nicht übersehen könne. Hässlich, grau, verwinkelt und heruntergekommen, das war Victors Eindruck. Victor trat zur Seite, um eine Kolonne aus alten Mazdas und Nissans, Volkswagen Polos und vor allem uralten BMW 316ern von dem Gelände fahren zu lassen. Erst nachdem zig Soldaten, herausgeputzt in Adidas-Trainingsanzügen, mit heruntergekurbelten Scheiben und bis zum Anschlag aufgedrehten Stereoanlagen die Wache passiert hatten, kehrte wieder etwas Ruhe ein und Victor trat erneut zu dem stählernen Tor der Kaserne. »Könnte ich wohl einen Blick hinter die Absperrungen werfen und zum Hauptgebäude gehen …äh …?« Victor schaute schnell auf das Namensschild an der Uniform. »Soldat Weber?«, fragte er den wachhabenden Soldaten.
    Der Wehrpflichtige Weber sah aus, als hörte er es in Graz donnern. Ein Ausländer, der am gerade beginnenden Wochenende einfach so vorbeikam, um die Anlage zu besuchen? Victor las in Webers Gesicht, dass die Erfüllung einer solchen Bitte nicht nur unmöglich war, sondern dass eine Person, die dergleichen äußerte, mit Sicherheit an einer Anomalie leiden musste, die er lieber nicht während seiner Wache behandeln wollte. »Ich komme extra aus Belgien«, log Victor und zeigte auf das immer noch nicht ausgetauschte rot-weiße Nummernschild an seinem Wagen.
    Obwohl dies bei Soldat Weber einige Verwirrung verursachte, war seine Antwort kurz und knapp: »Nein. Kommen Sie in ein paar Stunden wieder, wenn der neue wachhabende Kommandant da ist«, sagte Weber. »Der ist relativ flexibel und kann das entscheiden.«
    Weber zog das Gatter zu.
    Victor ging zurück zu seinem Wagen, nahm die Detailkarte, die er an der Tankstelle gekauft hatte, und ging zu Fuß die paar Hundert Meter zum Bahnhof Graz-Wetzelsdorf. War das der Weg, den Albert vor mehr als sechzig Jahren gegangen war? Victor brauchte lange für die Strecke, weil er sich Zeit nahm, sich umzuschauen. Er versuchte sich die Landschaft so vorzustellen, wie sie damals ausgesehen haben mochte. »Eliminieren«, dachte er. »Eliminieren, Victor.« Die BMW -Garage gab es damals bestimmt noch nicht, die kleine Müllverbrennungsanlage auch nicht und den modernen Bürokomplex an der Straßenecke ebenso wenig. Die gelben und rosafarbenen Supermärkte dachte er sich weg, die hässliche Tankstelle blendete er aus. Schließlich kam Victor in Graz-Wetzelsdorf an. Das war doch kein Bahnhof! Es gab einen Bahnsteig, ein Gleis, eine Anzeigetafel, zwei moderne gläserne Wartehäuschen, aber keinen Bahnhof. Trotzdem war Albert an dieser Stelle aus dem Zug gestiegen und den Weg entlang marschiert, den er selbst gerade zurückgelegt

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