Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schweig wenn du sprichst

Schweig wenn du sprichst

Titel: Schweig wenn du sprichst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roel Verschueren
Vom Netzwerk:
ich dir noch erklären, dass ich Schwierigkeiten damit habe?«, fragte Victor.
    »Unter diesen Umständen möchte ich gar nichts planen. Ich will keinen Streit darüber.«
    »Lilly, ich beichte, wenn ich die leeren Flaschen zum Glascontainer bringe. Die Bettler auf dem Naschmarkt sind meine Kollekte. Mein Himmel ist hier und jetzt.«
    »Themawechsel!«, sagte Lilly.
    »Gib mir Zeit, Lilly.«
    »Du bekommst alle Zeit, die du brauchst«, sagte sie.
    Victor stand auf und lief zur Tür. »Ich muss Jef wegen dieses Jobs zurückrufen.«
    »Entscheide dich«, sagte sie knapp.
    Victor kam mit dem Verleger überein, dass er den Job in sechs Wochen erledigen würde, aber er wollte sechstausend Euro und ein Hin- und Rückflugticket nach Belgien. Jef wiederholte, dass er alles über das Internet regeln könne, aber Victor blieb hart. Der Verleger akzeptierte. Victor war zufrieden. Er ging in die Küche. Lilly trank ihre zweite Tasse Kaffee. »Ich habe den Job angenommen und die Bezahlung ist gut.«
    »Hast du noch was von deiner Mutter gehört?«
    »Nein, aber ich glaube, es ist Zeit für eine Schocktherapie«, sagte Victor und strich über sein Gesicht.
    »Was meinst du?«
    »Ich muss etwas ausprobieren, sonst komme ich keinen Schritt vorwärts. Ich habe das Abzeichen nachgeschlagen, das ich von Onkel Marcel bekommen habe.«
    »Und?«
    »Es entspricht dem Grad eines Offiziers der Deutschen Wehrmacht.«
    »Meinst du wirklich?«
    »Warte.« Victor nahm eines der Bücher von seinem Arbeitstisch und brachte es zu Lilly.
    »Hier steht es. Vergleiche selbst.«
    »Das ist eindeutig dasselbe Abzeichen«, sagte Lilly. »Und was wirst du jetzt machen?«
    Er nahm das Headset von der Dockingstation und wählte die Nummer von Martha. »Oma!«
    »Bist du es, Victor? Wie geht es meinem Enkelkind?«
    »War unser Vater bei der Waffen- SS ?«
    »…«
    »Oma? War unser Vater jemals Offizier bei der Waffen- SS ?«
    »Dein Vater war nie bei der Waffen- SS ! Sag das niemals! Das hätte er nie gemacht. Die Flämische Legion war etwas anderes als die Waffen- SS , die hatten nichts miteinander zu …« Martha hatte aufgelegt.
    »Oma? Mutter?«
    Victor legte das Headset zurück.
    »Sehr gemein, Victor. Sehr gemein«, sagte Lilly. »Das ist genau das, was ich meinte.«
    »Jawohl!«, sagte er triumphierend. »So lange kann Schweigen dauern.«
    »Du hast ›Mutter‹ gesagt«, sagte Lilly angriffslustig.
    »Da hatte sie die Verbindung schon beendet«, entgegnete Victor.

12
    Lilly stand mit Moira im Kinderwagen in seinem Arbeitszimmer.
    »Gehen die Damen aus?«
    »Die Damen gehen aus. Wie läuft es mit der Arbeit für den Verleger?«, fragte Lilly.
    »Es ist Mist, Lilly!«
    »Das sagst du immer, wenn du mit einem neuen Auftrag anfängst, Liebling.«
    »Nein, das sage ich nicht immer. Ich sage manchmal, dass es langweilig ist oder schwierig oder zu technisch oder dass ich es leid bin. Aber ich habe noch nie Mist gesagt. Entschuldige, wenn ich dich korrigiere.«
    »Und jetzt ist es also Mist. Nun, das ist mal was anderes. Was möchtest du heute Abend essen?«
    »Es ist Mist, weil ich zu wenig Zeit für meine Recherchen habe. Ich habe das Gefühl, dass ich so viele Gelegenheiten verpasse, und jeder Tag, der vorbeigeht, erhöht das Risiko, dass meine Quellen austrocknen.«
    »Das ist ein schöner Euphemismus für sterben«, sagte Lilly. »Muss ich mir merken.«
    »Schau, was ich heute Morgen noch im Briefkasten gefunden habe.« Victor hielt zwei rosafarbene Stricksocken hoch.
    »Von wem sind die?
    »Von meiner Tante Nonne. Also, die bekommt Moira auf keinen Fall über die Füße gezogen, okay?«
    »Und was liegt da noch?«
    »Das ist ein Brief von einem Mann, der über Onkel Marcel erfahren hat, dass ich auf der Suche nach Informationen über meinen Vater bin. Er saß neben ihm im Zug und stieg mit ihm in Graz aus. Habe ich heute Morgen bekommen, aber ich habe noch nicht alle Informationen und Daten überprüfen könne. Mache ich heute Abend.«
    »Bis nachher, viel beschäftigter Papa.«
    Er wurde sich zum ersten Mal bewusst, wie schön es war, mit jemandem zusammenzuleben, der nicht nachtragend war. Eine heftige Diskussion ab und zu, aber gleich danach war es wieder vergessen. Victor lehnte sich zurück und sah, dass Moira mit ihrem Ärmchen winkte. Er war mehr und mehr davon überzeugt, dass etwas an seinem Vater gewesen war, das ihm selbst fehlte. Er versuchte sich vorzustellen, wie er selbst als Zwanzigjähriger in jener Zeit die Welt gesehen hätte. Aber

Weitere Kostenlose Bücher