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Schweig wenn du sprichst

Schweig wenn du sprichst

Titel: Schweig wenn du sprichst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roel Verschueren
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Gefühl.«
    »Hast du geschlafen oder die ganze Nacht nachgedacht?«, fragte Lilly.
    Victor lächelte, fuhr aber fort: »Vermutlich ist es gar nicht so eigenartig, wenn ich mich frage, ob der Grund für die schwierige Beziehung zwischen meiner Mutter und mir dort liegt, oder?«
    »Also hat eigentlich Gott dich gerettet«, sagte Lilly. »Wie willst du damit leben?«
    »Nicht nett, Lilly.«
    »Entschuldige. Vergiss die Bemerkung. Ihr habt ein Kommunikationsproblem, getarnt als Mutter-Sohn-Beziehungsproblem. Aus welchem Grund auch immer, es fällt euch beiden schwer zuzugeben, dass ihr euch eigentlich doch gern habt.«
    »Falsch. Falsch. Falsch«, sagte Victor.
    »Ja dann, Diskussion beendet. Bohr tiefer, Victor. Vielleicht findest du noch mehr.«
    »Noch tiefer erscheint mir schwierig«, sagte Victor.
    »Weil du nur bei deiner Mutter suchst«, sagte Lilly scharf.
    »I love you guys!«, lachte Andrea.

25
    25. Juli 1944
    Grün, grün, grün. Und frische Luft, plätscherndes Wasser, Felder voller Korn und freundliche Menschen. Das Städtchen ist so schön und liebenswürdig. Am Bahnhof steht ein großes Schild: WILLKOMMEN, FLÄMISCHE FREUNDE … IN IHREM KOFLACH! So eine herzliche Begrüßung zu sehen, tat uns gut. Wir fuhren in zwei Bauernkarren, von dicken, gelbbraunen Mähren mit geflochtenen Mähnen und verziertem Geschirr gezogen, über die holprigen Wege zu dem Bauernhof, wo wir uns eine Woche aufhalten dürfen. Machteld fiel vom Karren, als er etwas zu ungestüm vom Gespann angezogen wurde. Glücklicherweise ist nichts Schlimmes passiert. Albert sprang hinter ihr aus dem Wagen, half ihr auf und hob sie zurück auf die harte Bank. Der Bauernhof steht voll mit langen Tischen und Bänken und es wurden Girlanden aufgehängt zwischen den Bäumen, die für etwas Schatten sorgen. Heute Abend gibt es eine Feier für unsere kleine Gruppe und andere Soldaten auf Urlaub, die im und um das Dorf herum bei gastfreundlichen Familien unterkommen konnten.
    Die Männer halten sich in einer Scheune auf, die zu einem Schlafplatz umgebaut wurde. Wir Mädchen teilen die Betten und Schlafzimmer der drei Töchter von Hansi und Gretchen (kein Witz, sie heißen wirklich so!). Joanna und Machteld probieren unverzüglich die Kleider an, die sie für uns bereitgelegt haben. Die von Joanna passen wie angegossen: eine weiße Pluderbluse, mit tief ausgeschnittenem Dekolleté, und ein blumiges Kleid darüber, schmal in der Taille mit vielen Falten, die bis knapp unter die Knie reichen. Sie sieht aus wie die Mädchen aus dem Ort. Es wirkt so, als sei sie hier zu Hause. Für Machteld musste noch etwas angepasst werden, ihre Rundungen sind außergewöhnlich, aber Gretchen legte sofort los. Mein Kleid passte auch, aber ich habe erst einen Spaziergang um das Gehöft herum und auf dem Feld gemacht. Ich war unruhig und zu aufgeregt. Wir halfen mit und deckten die Tische mit Blumen und brachten Wasserkannen und Teller, Gläser und Kerzen hinaus. Wir schnitten Wurst und Brot, das wir in nasse Tücher verpackten, damit es nicht austrocknet. Es stehen Riesenkessel mit Speck und Kohl, Rindfleischstückchen und Zwiebeln auf dem Holzfeuer. Das wird sicher eine Schlemmerei heute Abend. Aber jetzt erst etwas Ruhe, dann noch mal Verbände kontrollieren und Wunden versorgen, damit unsere Jungs sich heute Abend alle gut fühlen. Ich schreibe nachher weiter, oder morgen.
    26. Juli 1944
    Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Es ist so viel passiert gestern Abend. Ich weiß nicht, ob ich es überhaupt beschreiben kann und ob das alles aufgeschrieben werden sollte. Wie kann ich nur so verwirrt sein und zugleich so aufgeregt? Ich habe mit Albert geschlafen. So, jetzt steht es da. Es sagt alles und es sagt nichts. Ich habe heute überall nach ihm gesucht. Er ist nirgendwo zu finden. Einer der Jungs sagte, dass er früh aufgebrochen ist. Ich weiß fast nichts über ihn und möchte ihn wiedersehen … oder nicht … ich weiß es nicht. Ich weiß nichts mehr. Ich muss erst nachdenken.

26
    »Walter, alter Fuchs! Schalt die Webcam ein, ich kann dich nicht sehen.«
    »Momentchen.«
    »Okay, ich sehe dich. Haha, auch noch nicht rasiert?«
    »Das ist der einzige Nachteil dieses Systems, bester Freund. Du kannst der Realität nicht entkommen.«
    »Guten Morgen«, sagte Victor.
    »Guten Morgen, Wien.«
    »Was macht die Gesundheit?«
    »Alles unter Kontrolle«, sagte Walter. »Und im Reich der Frauen?«
    »Alles unter Kontrolle. Ich weiß, dass du nicht so viel Zeit hast, aber

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