Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)
Batteriegrillhähnchen mit einem Auerhahn.«
»Oje«, seufzte er, »aus der Richtung kommst du also. Da werde ich dich wohl kaum für mein Projekt gewinnen können.«
Sie warf ihm einen fragenden Blick zu. »Kommt darauf an. Wenn du ein paar wissbegierige Stadtkinder über diese leeren, zerstörten Waldböden dort draußen führen möchtest, um ihnen etwas über Monokulturen von schnell wachsenden Fichten und Kiefern zu erzählen, und sie anschließend in den Leybachwald bringst, damit sie den Unterschied erleben können, bin ich gerne mit von der Partie. Aber wenn du, wie ich gehört habe, im Leybachwald Wipfelpfade bauen willst und Streichelzoos, dann musst du dir in der Tat jemand anderen suchen.«
»Okay, okay«, erwiderte er getroffen. »Ich hab’s begriffen. Ich soll aus unserem Wald ein Reservat machen. Betreten verboten. Für die nächsten fünftausend Jahre.«
»Nein. Keineswegs. Das ist auch gar nicht möglich. Leider. Aber was immer du tust, es wird das Besondere des Leybachwalds zerstören. Das finde ich schade. Dabei verstehe ich natürlich, dass ihr ihn wirtschaftlich nutzen wollt. Nur wird das, was dabei herauskommt, am Ende kein Wald mehr sein.«
»Sondern?«
Anja zuckte mit den Achseln. »Biomasse«, sagte sie resigniert.
Die vierspurige, von der Morgensonne beschienene Autobahn vor ihnen war so gut wie leer. Landau und damit der Autobahnabzweig, wo diese Diskussion begonnen hatte, lag zwanzig Kilometer hinter ihnen. Anja fragte sich, wie sie überhaupt in diese Diskussion hineingeschlittert waren. Was konnte Lukas dafür, dass Waldwirtschaft nun mal ein Widerspruch in sich war? Entweder man wollte einen Wald, dann sollte man ihn am besten weitgehend in Ruhe lassen. Oder man wollte eine bewirtschaftete Forstfläche, schnell nachwachsendes Holz für die Industrie und Wildübervölkerung für die Jagdpächter, damit genügend Hirsche und Wildschweine für die Jagd vorhanden waren, wenn denn gejagt wurde. Beides vertrug sich jedenfalls nicht.
Alles sogenannte Wirtschaften folgte schließlich dem gleichen Muster. Man griff blind in hochkomplexe Prozesse ein und verprasste außerdem in wenigen Jahren, was über Jahrhunderte oder Jahrtausende gewachsen war. Eine Buchecker brauchte nun einmal zweihundert Jahre, um zu einer stattlichen Altbuche heranzuwachsen, viel zu lang für ein Menschenleben. Und damit das überhaupt gelang, bedurfte es einer ganzen Gruppe von Buchen, die dafür sorgte, dass der Nachwuchs nicht krumm und schief nach oben schoss, sondern sich diszipliniert entwickelte. Entfernte man zu viele Altbäume, verwilderten die Jungen. War das bei den Menschen vielleicht auch so? Irgendwann wächst jedenfalls nur noch krummes, anfälliges Holz, das man dann gleich durch Fichten und Kiefern ersetzen kann, auch wenn die sich hier so heimisch fühlen wie Pinguine am Mittelmeer. Und das nannte man dann Forstwirtschaft. Es war schon merkwürdig: Was dem Regenwald noch bevorstand, war hier längst im Gang. Aber es war leichter, die Menschen für den Erhalt des fernen Regenwalds zu mobilisieren als gegen die staubigen und verwurmten Pressspanforste vor der eigenen Haustür. Doch hatte es viel Sinn, mit Lukas darüber zu streiten?
»Wieso bist du eigentlich nicht verheiratet?«, fragte sie und musterte ihn neugierig.
»Woher weißt du denn, dass ich es nicht bin?«, fragte er spöttisch zurück.
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Ach so. Nun? Wie heißt sie?«
»Ich bin geschieden«, sagte er lässig. »Zwei Jahre Beziehung. Acht Monate Ehe. Sie ist aus Grafenwöhr. Hat wieder geheiratet. Frag mich nicht, warum das alles überhaupt passiert ist. Ich verstehe es bis heute nicht.«
»Tut mir leid.«
»Leid. Nein, wieso denn leid? Ich bin gottfroh, dass es vorbei ist. Ich meine, ich weiß gar nicht mehr, was mich geritten hat, zu heiraten. Das ist etwas für Leute wie meinen Bruder. Da klappt das. Frau. Kleine Tochter. Das nächste Baby schon unterwegs. Familie eben. Aber wenn man keine Familie plant, ist heiraten doch im Grunde schwachsinnig heutzutage. Findest du nicht?«
Anja zuckte mit den Schultern. »Ehrlich gesagt, ich war noch nie in der Verlegenheit, ernsthaft darüber nachzudenken.« Damit hatte sie auch wieder mehr gesagt, als sie eigentlich wollte. Warum hatte sie überhaupt diese idiotische Frage gestellt?
»Genauso wie Klassentreffen«, fügte er hinzu. »Auch so eine altmodische Sitte. Wundert mich eigentlich, dass du überhaupt zu so etwas hingehst.« Er grinste.
»Wie soll ich
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