Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
zu haben.«
Sie presste hervor: »Ihr seid herzlos.«
»Das ist der Tod auch.«
Sie schwieg.
»Trefft Ihr Euch mit Adam Grimbach?«
Sie blickte Nikolaus einen Moment an und nickte dann kurz. »Wenn es dunkel ist, treffen wir uns unten am Kran und gehen ein wenig spazieren.«
»Wer weiß davon?«
»Niemand. Wir sind sehr vorsichtig.«
»Und Ihr geht nur spazieren?« Nikolaus konnte sich ein anzügliches Grinsen nicht verkneifen.
Wieder warf sie ihm einen bösen Blick zu. »Das geht Euch gar nichts an. Falls es etwas gäbe, wäre das eine Sache, die ich allein mit meinem Schöpfer ausmache.«
Nikolaus nickte. »Aber Ihr wisst sicher auch, dass Adam Grimbach und Herrmann Albrecht öfter Streit hatten?«
Sie suchte nach den richtigen Worten, ehe sie antwortete. »Mein Mann verlor immer sehr schnell das Interesse an einer Arbeit. Er fängt viel an, bringt aber selten etwas wirklich zu Ende. Adam ist das genaue Gegenteil. Kein Wunder, dass sie sich ... äh ... dass sie unterschiedlicher Meinung waren.«
»Traut Ihr Grimbach einen Mord zu?«
Erbost antwortete die junge Witwe: »Niemals!«
»Aber jetzt seid Ihr für Euren Geliebten wieder zu haben.«
»Mir gefällt nicht, dass Ihr ›Geliebter‹ sagt! Am Ende behauptet Ihr wohl noch, ich sei seine Komplizin! Warum müsst Ihr meinen Schmerz noch verschlimmern?« Sie schluchzte, während ihr die Tränen über die Wangen liefen. »Warum tut Ihr das?«
War ihr Weinen nun echt oder nur vorgetäuscht? Nikolaus war sich nicht sicher. Er konnte sie nicht einschätzen. Also entschuldigte er sich lieber damit, dass die Fragen nur der Wahrheitsfindung dienten. Mehr nicht. Doch Helena Albrecht antwortete nicht. Nach einem Moment des Schweigens fragte Nikolaus: »Und wenn es doch Selbstmord war?«
Helena hielt in der Bewegung inne. »Das glaub ich nicht.«
»Warum?«
»Er hat nichts gesagt und mir auch nichts hinterlassen.«
»Vielleicht wollte er Euch damit nicht belasten.«
»Selbst Überlegungen in diese Richtung habe ich bei ihm nicht gehört.«
»Woher wollt Ihr das wissen? Ihr habt Euch doch selten gesehen.«
Sie nagte an ihrer Unterlippe. »Es stimmt schon. Wir haben nur das Nötigste besprochen. Aber ich denke, ich hätte etwas bemerkt.«
»Oder habt Ihr noch einen anderen Grund, das zu glauben?«
Sie zuckte mit den Schultern. Schließlich antwortete sie: »Ihr wisst doch, wie die Leute einen anschauen, wenn es um Selbstmord geht. Es gibt kein ordentliches Begräbnis, keine Unterstützung durch die Gilde, keine Messe. Auch wenn ich meinen Mann nicht gut gekannt und ihn nicht geliebt habe, hat er so ein Ende bestimmt nicht verdient.«
»Also ist das Leugnen eines Selbstmords eher ein frommer Wunsch als Gewissheit. Oder?«
Sie antwortete nicht, sondern blickte Nikolaus nur an.
Der junge Mann hatte die Witwe nun lang genug aufgehalten. Er bedankte sich für ihre Hilfe und wünschte ihr alles Gute, ebenso für ihre Tante.
Helena verschwand eiligen Schrittes in einer nahen Tür, während Nikolaus den Weg nahm, auf dem die junge Nonne ihn hereingeführt hatte.
Welche Absprache hatte es zwischen Theodor Junk und Herrmann Albrecht gegeben? Hatte der Zimmermannsmeister die versprochene Gegenleistung nicht erledigen wollen? Oder hatte er dabei kläglich versagt? War er wegen seines Nichtwollens oder seines Versagens zur Rechenschaft gezogen worden? Andererseits konnte es einen ganz anderen Grund geben, einen primitiveren, leidenschaftlicheren: Eifersucht. Adam musste tagein tagaus mit dem Mann zusammenarbeiten, der sein Liebchen nach Hause geführt hatte. Und der zu allem Überfluss noch sein Vorgesetzter war, obwohl ihm die notwendige Begabung fehlte.
Aus irgendeinem Grund traute Nikolaus Helena nicht. Er hatte den Verdacht, dass sie etwas verschwieg, was wichtig war. Sie hatte nur das erzählt, was offensichtlich war, was er schon selbst erkannt hatte. Aber alle weiteren Fragen hatte sie erbost zurückgewiesen. Warum hatte sie ihren Vater dann in aller Öffentlichkeit angeklagt?
Wer aber konnte ihm sonst Auskunft über den toten Meister geben? Albrechts Familie.
Gesine Albrecht
Nikolaus erfragte den Weg zur Staffelgasse. Anstatt auf direktem Weg zum Markt zu gehen, musste er sich links halten und kam auf einen großen Platz, von dem mehrere Straßen strahlenförmig ausgingen. Dies war unzweifelhaft einer der Kristallisationspunkte, von dem aus nach dem Niedergang der römischen Herrschaft und der düsteren Zeit danach die Stadt langsam wieder zu wachsen
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