Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
einen Fürsprecher hatten, mussten sie sehr aufmerksam sein, um jeder möglichen Konfrontation früh genug aus dem Wege zu gehen. Nikolaus hoffte inständig, diesen Mann noch einmal zu treffen.
Im Katharinenkloster
Wenige Augenblicke, nachdem Nikolaus am Tor des Katharinenklosters geklopft hatte, öffnete eine ältere Nonne – offensichtlich die Pförtnerin – und fragte nach seinem Begehr. Er erklärte, wen er sprechen wollte. Eine jüngere Ordensschwester wurde gerufen, und ihr wurden einige Anweisungen ins Ohr geflüstert. Sie sagte kein Wort, sondern deutete dem Besucher mit Handzeichen an, ihr zu folgen. Zwischen der Mauer, die das Stift umschloss, und dem Klostergebäude lag ein Garten, in dem eine ganze Reihe von Nonnen und Novizinnen arbeitete. Entweder waren sie in ihre Arbeit so vertieft oder es war ihnen verboten worden, jedenfalls schauten sie nicht auf. Niemand würdigte Nikolaus eines Blickes. Es ging durch einen Eingang ins Hauptgebäude und von dort bis in den Kreuzgang. Die junge Nonne bedeutete ihm schweigend, zu warten.
Nikolaus schaute sich um. Der Innenhof war nichts Außergewöhnliches, vielleicht größer als in anderen Klöstern. Im Moment war hier niemand zu sehen. Nur ein paar Tauben saßen auf der Traufe und gurrten aufgeregt.
»Was kann ich für Euch tun?«
Der junge Mann drehte sich ruckartig herum. Helena Albrecht stand mitten im Gang und hatte ihre Hände vor dem Leib gefaltet. Sie war sehr blass und machte einen erschöpften Eindruck. Sie vermied es, Nikolaus direkt anzusehen, aber man erkannte sehr deutlich die Ränder unter ihren Augen.
»Ich benötige Eure Hilfe, aber ich werde mich bestimmt kurz fassen«, versprach er. »Ich möchte Euch nicht ungebührlich in Eurer Trauer stören.«
Sie nickte. »Danke. Ich erinnere mich, Euch heute Morgen gesehen zu haben.«
»Ja. Es geht um Euren Mann. Ihr habt angedeutet, dass Ihr nicht an einen Unfall glaubt. Ist das noch immer Eure Meinung?«
Endlich schaute sie auf und fixierte Nikolaus mit ihren Augen. Ihr Ton wurde schärfer. »Was geht Euch das an, wenn ich fragen darf?«
Er berichtete ihr in knappen Worten von dem Auftrag, den Dompropst Meuren ihm erteilt hatte.
Sie nickte kurz. »Und welche Hilfe könnte ich dabei sein?«
»Ihr könntet mir zum Beispiel sagen, warum Ihr Euren Vater so angefahren habt.«
Helena drehte sich langsam zur Seite und ging ein paar Schritte vorwärts, bis sie zwischen zwei Säulen des Kreuzgangs stand und auf die Beete schaute.
Nach einigen Momenten des Schweigens fragte Nikolaus vorsichtig: »Möchtet Ihr nicht darüber reden?«
Sie ließ sich wieder Zeit. »Was sollte das bringen?«
»Vielleicht kann ich Euch helfen.«
Sie starrte noch immer gedankenverloren in den Garten. »Wohl kaum. Aber da Ihr so hartnäckig seid, will ich Euch verraten, dass es zwischen meinem Vater und meinem Mann eine Absprache gab.«
»Und was für eine?«
»Das ist es ja gerade. Weder der eine noch der andere wollten mir etwas sagen. Aber ohne eine angemessene Gegenleistung setzt sich mein Vater, der so überaus reiche und mächtige Schöffenmeister Junk, nicht für einen kleinen Meister ein und gibt ihm dann auch noch seine Tochter zur Frau. Ich verstand mich zwar nie sehr gut mit meinem Vater – aus irgendeinem Grund, den ich nicht kenne, war ich für ihn eher ein notwendiges Übel als eine Tochter –, aber ich erkenne schon, wenn ich verkauft werde. Das könnt Ihr dem Dompropst so sagen. Soll er doch versuchen, etwas herauszubekommen. Ich habe es inzwischen aufgegeben.«
Nikolaus musste sich zurückhalten, um nicht vor Freude herumzuhüpfen. Er hatte mit seiner Ahnung bezüglich der Umstände, die zur Heirat führten, also recht gehabt. Jetzt ging es darum, welche Abmachung so peinlich verborgen gehalten wurde.
Die junge Witwe unterbrach seinen inneren Jubelmarsch und wandte sich ihm wieder zu: »Kann ich Euch sonst noch helfen?«
»Äh, ja. Nur damit ich die Umstände besser verstehe. Wann seid Ihr normalerweise hier im Stift?«
»Eigentlich die ganze Zeit.«
Nikolaus zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »Auch als Euer Mann noch lebte?«
Sie nickte.
»Jemand anders hat dann für Euren Mann gesorgt?«
»Eine Magd können wir uns nicht leisten. Morgens und je nachdem am Mittag oder am Abend ging ich in das Haus meines Ehemanns und kochte, wusch seine Wäsche und was sonst noch nötig war. So konnte ich mich die andere Zeit – und besonders nachts – um meine Tante kümmern.«
»Hatte Euer Mann denn
Weitere Kostenlose Bücher