Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
erledigen.«
Und ehe sich Nikolaus versah, stand er ganz allein im Tor zwischen Dom und Markt. Auch die gaffende Menge, die sich unbemerkt auf dem Platz versammelt hatte, um ja nichts zu verpassen, zerstreute sich wieder.
»Und nun?« Der junge Mann schaute sich verlegen um. Erst einmal klopfte er sich den Staub von der Kleidung, den er sich eingehandelt hatte, als ihn die Wachen zu Boden geworfen hatten. Dann atmete er ein paarmal tief durch und ordnete seine Gedanken.
Was hatte er vor diesem Zwischenfall eigentlich vorgehabt? Ach ja, er hatte bei den Schöffen und Meistern auf den Busch klopfen wollen, damit er endlich herausbekam, warum Herrmann Albrecht Helena Junk bekommen hatte. Vielleicht würde er so auch darauf kommen, warum sich der Meister zu Tode stürzte – oder gestürzt wurde.
Walther Kirn
Es war kurz vor Mittag. Wo konnte Nikolaus die Honoratioren am besten finden? Bestimmt waren die meisten zu Hause beim Essen. Das Haus von Theodor Junk kannte er ja, auf diesen anmaßenden, ehrsüchtigen Schöffen hatte er keine Lust. Ansonsten kannte er leider nur das Rathaus am Kornmarkt. Einen Versuch war es auf jeden Fall wert. Auch auf die Gefahr hin, dass er wieder Verfolger haben würde, wollte er endlich zu einem Ergebnis kommen.
Zum Glück geriet Nikolaus diesmal nicht an den verschlafenen Wachposten am Rathaus. Der diensthabende Kollege war sehr hilfsbereit und nahm Nikolaus’ Wunsch, mit dem Rat sprechen zu dürfen, freundlich entgegen. Daraufhin rief er einen Diener, der den Gast in den Versammlungssaal bringen sollte. Es ging eine Treppe hoch und dann zu einer großen, schweren Eichentür. Der Bedienstete klopfte an. Erst nach mehreren Versuchen bekam er eine Antwort und huschte hinein.
Nach wenigen Augenblicken wurde auch Nikolaus hereingebeten. An einem Tisch saßen zwei ihm unbekannte Herren – nach der Kleidung zu urteilen, waren sie alles andere als arm –, die den unerwarteten Besuch eingehend musterten. Der eine war um die fünfzig Jahre alt, der andere sicher schon an die sechzig. Nikolaus trat näher, begrüßte die Herren mit einer Verbeugung und nannte seinen Namen. Die beiden Ratsmitglieder blieben am Tisch sitzen und erwiderten den Gruß nur knapp. Hinter dieser offensichtlichen Unhöflichkeit steckte mehr als nur Verachtung für den Bediensteten des Kurfürsten, sie war Absicht. Die beiden waren gestern in der Stube bei Theodor Junk nicht anwesend gewesen, mussten aber sehr wohl erfahren haben, an welchem Auftrag der junge Jurist gerade arbeitete. Der Einfluss des Schöffenmeisters war auch hier spürbar.
Nikolaus musste sich sehr zusammenreißen, um diese Taktlosigkeit nicht mit gleicher Münze heimzuzahlen. Aber er konnte es sich nicht verkneifen zu fragen: »Würden die edlen Herren mir bitte verraten, wer sie sind?«
Die beiden tauschten einen kurzen Blick, während ihr Gesichtsausdruck noch düsterer wurde. Schließlich sagte der Ältere: »Dies hier ist der ehrwürdige Schöffe und Ratsmitglied Dominikus Vierland, und ich bin Walther Kirn, der Zunftmeister der Weber.
Nikolaus nickte beiden jeweils zu. Endlich lernte er den vierten der Honoratioren kennen, die gestern Morgen so ganz zufällig beim Sturz des Meisters in St. Gangolf anwesend gewesen waren.
Kirn ergänzte: »Fasst Euch kurz, da wir noch wichtige Angelegenheiten zu besprechen haben«, und wedelte dabei mit der Hand, als wollte er den lästigen Besucher zur Eile antreiben.
»Wisst Ihr, dass einige von den Händlern und Handwerkern hier in Trier von einer Bande junger Männer erpresst werden?«
Plötzlich richtete sich der Schöffe Vierland auf: »Was sagt Ihr da? Was für eine Erpressung?«
Nikolaus lächelte. Wahrscheinlich hatten die beiden gedacht, er würde sofort eine Frage zum Tod von Herrmann Albrecht stellen. »Die Burschen verlangen von den Leuten Geld oder sie werden verprügelt, manchen wird auch ein Arm gebrochen.«
Jetzt mischte sich der Zunftmeister ein: »Das ist eine schwerwiegende Behauptung. Aber man darf nicht jeder Bemerkung, die man zufälligerweise hört, zu viel Gewicht beimessen. Vielleicht hat man nur die Hälfte gehört. Aber wenn man alles wüsste, ergäbe sich ein anderes Bild. Manche Menschen haben immer etwas zu sagen. Nur um davon abzulenken, dass ihr Geschäft nicht so läuft, wie sie es gerne hätten. Mal ist es das Wetter, mal die Steuern, und jetzt unzufriedene Kunden. Ihr macht aus einer Mücke einen Ochsen.«
»Leider muss ich Euch sagen, dass drei Männer heute
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