Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
verborgen werden sollten. Bei der Heirat war zu offensichtlich etwas vertuscht worden. Und warum wurde selbst die eigene Tochter im Unklaren darüber gelassen, wo sich ihre Brüder befanden?
»Sind Eure Brüder verheiratet, sodass die Ehefrauen etwas wissen könnten?«
»Nein. Nur Konstantin hat ein Mädchen im Wirtshaus in der Brückenstraße. Ich glaube, sie heißt Elise.«
»Hat er ihr etwas gesagt?«
Nun lächelte Helena zum ersten Mal. »Wie könnte ich sie fragen? Solch eine Schänke ist nicht angemessen für eine Frau, die ihren guten Ruf bewahren möchte.«
Nikolaus sollte dieser Elise auf den Zahn fühlen. Vielleicht war Konstantin seinem Liebchen gegenüber gesprächiger gewesen. Nach einigen Humpen Bier, neben einem schnuckeligen Mädchen, dem man imponieren wollte, wurde schon so manches kleine Geheimnis ausgeplaudert. Vielleicht hatte sie auch gehört, wieso Herrmann Albrecht Helena bekommen hatte. Dann fiel Nikolaus noch etwas ein. Er erzählte Helena, dass er gestern Gesine Albrecht getroffen und erst dort erfahren hatte, dass sie in diesem Hause Magd war. »Euer Vater erwähnte sie nur als Herrmanns Schwester, nicht als seine Bedienstete. Warum wohl?«
Sie zupfte an ihrem Kragen. »Sie verstand sich gut mit meiner Mutter. Die beiden waren so etwas wie Freundinnen. Als meine Mutter starb, sorgte sie für uns Kinder. Sie hat alles getan, was sonst eine Ehefrau getan hätte. Sie hat sogar auf eine Heirat verzichtet, weil sie dachte, nun würde Vater sie zur Frau nehmen.« Sie lächelte wieder und bemerkte Nikolaus‘ missbilligenden Blick. Sofort erklärte sie: »Bitte versteht mich nicht falsch. Ich habe nichts gegen Gesine. Sie ist auch für mich so etwas wie eine Freundin und Mutter, nicht eine Schwägerin. Aber damals war sie wohl ein bisschen naiv. Für einen Mann wie meinen Vater kommt eine Heirat nur infrage, wenn es sich finanziell lohnt oder er seinen Einfluss vergrößern kann. Aber Gesine kam ihm als Dienstmagd billiger. Und schließlich war sie zu alt zum Heiraten und blieb gezwungenermaßen hier.«
»Haben Eure Brüder auch solch ein gutes Verhältnis zu ihr?«
Helena schüttelte den Kopf. »Konstantin und Crispus sind die genauen Abbilder ihres Vaters. Für sie ist Gesine nur eine Magd, obwohl sie sie erzogen hat. Die beiden gaben ihr unschöne Namen und haben sie schäbig behandelt, sie sogar geschlagen. Ich hätte gern ihre Stärke. Sie hält immer still, gibt nie ein böses Wort zurück, egal was kommt. Aber ich habe ihr angesehen, wie wütend sie oft war. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie sich eines Tages gewehrt hätte.«
»Und Ihr habt das geschehen lassen?«
»Wie wollt Ihr das beurteilen?«
Nikolaus hob abwehrend die Hände. »Ich frage ja nur.«
Helena entspannte sich wieder. »Was sollte ich gegen Konstantin und Crispus sagen? Wenn man als kleines Kind ein paarmal Prügel einstecken musste, überlegt man es sich zweimal, sie zu reizen. Sie sind halt so.«
»Trotzdem vermisst Ihr sie?«
»Ja. Sie sind nun mal meine Brüder. Auch wenn sie sich manchmal wie herzlose Strolche benehmen. Sie gehören zu meinem Leben und meiner Familie.«
Freunde kann man sich aussuchen. Auch wen man sich zum Feind macht, kann man noch beeinflussen. Aber man ist machtlos, wenn es darum geht, wer zur Familie gehört. Wie der weise Sprücheschreiber Salomo schon sagte: »Es gibt Gefährten, die bereit sind, einander zu zerschlagen, aber da ist ein Freund, der anhänglicher ist als ein Bruder.« 22
Nikolaus bedankte sich und bat, nun ihren Vater sprechen zu dürfen. Helena meldete den Gast an und führte ihn in das Zimmer, das er gestern schon kennengelernt hatte. Dann war sie verschwunden.
Theodor Junk stand neben dem Tisch, auf dem noch Teller, Platten mit den Resten von Braten und Gemüse und zwei wertvolle Kristallbecher standen. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah seinen Gast alles andere als einladend an.
Nikolaus versuchte höflich zu sein und begrüßte den Hausherrn. Doch er konnte nur schlecht gegen seine Vorurteile gegenüber dem Schöffen ankämpfen, sodass seine Verbeugung verkrampft war und nur kurz ausfiel.
Junk verzichtete ganz auf die Höflichkeitsfloskeln und brummte: »Ich denke, wir hatten schon alles besprochen. Was wollt Ihr noch?«
»Verzeiht, wenn ich Euch noch einmal stören muss. Ich habe inzwischen erfahren, dass Ihr gestern kurz vor dem Sturz mit Philipp von Buschfeld und zwei Zunftmeistern auf den Kirchturm hinaufgestiegen wart. Ihr
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