Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
Stadtverwaltung beschwerte sich sogar beim Kaiser selbst gegen das verbriefte Recht des Kurfürsten. Und diese beiden Kontrahenten sollten Freunde sein? Einfach nur lachhaft!
Wenn Junk dick auftragen konnte, war er auch dazu in der Lage. »Ich freue mich schon darauf, dem ehrwürdigen Kurfürsten meine Stellungnahme zu geben. Meinen juristischen Rat hat er bisher immer sehr geschätzt.«
Mit vor Aufregung zitternden Beinen, aber einem siegesgewissen Lächeln auf den Lippen verließ Nikolaus das Zimmer. Auf der Straße musste er dennoch erst einmal tief durchatmen. Eigentlich hatte er nur auf den Busch klopfen wollen. Aber unbewusst war er in diese offene Konfrontation hineingeschlittert. Anstatt den Tod des Meisters diplomatisch zu untersuchen, hatte er sich von seiner inneren Abneigung dem Schöffenmeister gegenüber fortreißen lassen. Entweder hatte sich Nikolaus gerade riesigen Ärger eingehandelt und die Untersuchung war zu einem frühen Ende gekommen, weil er es sich mit dem Rat komplett verscherzt hatte, oder dieses undurchdringliche Gewebe von Intrigen und Absprachen zerriss unter dem Druck, der sich langsam aufgestaut hatte, mit einem gewaltigen Knall.
Albrechts Wohnung
Als sich Nikolaus wieder beruhigt hatte, machte er sich auf den Weg zum Markt. Wie sollte er jetzt vorgehen? Er hatte die Schöffen aufgeschreckt, die so peinlich darauf bedacht waren, dass keinerlei Hinweise auf die Absprache zwischen Theodor Junk und Herrmann Albrecht ans Tageslicht kamen.
»Albrechts Unterlagen, genau!«
Nikolaus schnippte triumphierend mit den Fingern. Vielleicht konnte er darin etwas finden. Und gerade jetzt hatte er die Möglichkeit, die Papiere des Meisters zu durchsuchen. Helena hatte doch erwähnt, dass sie in die Wohnung ihres verstorbenen Mannes gehen wollte. Hoffentlich war sie noch da. Nikolaus erfragte auf dem Markt den Weg zur Webergasse. Diese verband die Brotstraße und die Fleischstraße einen Häuserblock weiter südlich als der Kornmarkt und das Rathaus. Schnell war er dort. Auch der Tuchhändler Reichenau war schnell gefunden.
Im Geschäft wurde er sehr freundlich vom Händler willkommen geheißen, der ihm sofort einige Ballen Stoff zeigen wollte. Doch leider musste der vermeintliche Kunde gestehen, dass er zur Witwe Albrecht wollte.
»Schade«, antwortete Reichenau und zeigte ihm die Treppe in die kleine Wohnung über den Verkaufsräumen.
Schon nach dem ersten Klopfen öffnete Helena die Tür. Sie war völlig überrascht, Nikolaus so schnell wiederzusehen. »Kann ich noch etwas für Euch tun?«, fragte sie erstaunt. »Ich sagte Euch doch, dass ich nichts weiter weiß.«
»Bitte verzeiht mir meine Aufdringlichkeit. Vielleicht würdet Ihr mir gnädigerweise erlauben, die Unterlagen Eures Mannes einmal anzuschauen. Vielleicht findet sich darin ein Hinweis auf die Umstände seines Todes.«
Die junge Witwe sagte kein Wort. Ihre Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengepresst. Sie blickte ihren Gast starr an, als versuchte sie, seine wahren Beweggründe zu erforschen.
»Bitte. Ich sehe doch, wie Euch die Ungewissheit quält.«
Schließlich antwortete sie: »Ich weiß nicht, was Ihr zu finden hofft, aber ich erlaube es Euch, solange ich noch hier zu tun habe. Ich koche für meine Tante.«
Nikolaus bedankte sich und versprach, sich zu beeilen. Die Wohnung bestand nur aus einem Raum. In der Mitte stand ein kleiner Tisch. Links befand sich eine Feuerstelle, auf der Helena gerade ein Feuer angezündet hatte. Es qualmte noch recht kräftig. An der rechten Wand standen zwei Betten. Nach der Verfärbung des Holzes zu urteilen, war eines schon älter. Die dort liegenden Decken waren zerwühlt und wirkten schmuddelig. Hier hatte offensichtlich Herrmann Albrecht seine Nächte verbracht. Das zweite Bett daneben war neueren Datums. Der noch pralle Strohsack war lediglich von einem weißen Leinentuch bedeckt. Die junge Frau hatte hier noch keine Nacht verbracht – so wie sie es gestern behauptet hatte.
Helena führte Nikolaus in einen kleinen Nebenraum neben der Feuerstelle. Darin stand ein Tisch, auf dem einige Pergamente und Papiere lagen. Noch ehe Nikolaus sich versah, hatte Helena ihn schon allein gelassen.
Er schaute sich die Unterlagen genau an. Sie bestanden hauptsächlich aus groben Zeichnungen mit eigenartigen Kürzeln. Als Gedächtnisstütze waren sie für Herrmann Albrecht bestimmt ausreichend, aber ein anderer konnte beim besten Willen nicht sagen, was hier gemeint war. Es gab auch Skizzen
Weitere Kostenlose Bücher