Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
hattet es sehr eilig. Was wolltet Ihr so Dringendes von Eurem Schwiegersohn so mitten am Vormittag?«
Der alte Schöffenmeister ließ sich Zeit, seine Worte gut zu planen. »Wer sagt, dass wir dort hinauf sind?«
»Ihr wurdet beobachtet.«
»Bestimmt vom Priester.«
Nikolaus sagte nichts dazu.
»Jaja. Unser lieber Ulrich Trips ist ein eifriger, zur Nervosität neigender Mann Gottes. Er macht sich viele ... viel zu viele Sorgen. Das tut ihm nicht gut. Und seine Aufgeregtheit überträgt sich schnell auf andere.«
»Was möchtet Ihr mir damit sagen?«
»Nichts. Ich wollte es nur einmal erwähnen.«
Gute Taktik, dachte Nikolaus bei sich. Anstatt zu leugnen, zog er die Vertrauenswürdigkeit des Augenzeugen in Zweifel. Aber er wollte sich nicht so einfach davon abhalten lassen, ein wenig auf den Busch zu klopfen.
»Was habt Ihr denn bei Herrmann Albrecht gewollt?«
»Nur kurz mit ihm reden. Nichts Wichtiges. Nichts, was wir nicht auch zu anderen Zeiten hätten erledigen können. Einige meiner lieben Kollegen im Rat der Stadt wollen zusätzliche Mittel zum Ausbau von St. Gangolf spenden. Wir würden sehr gerne den Turm noch erhöhen. Wir sind der Meinung, dass er gegenüber dem des Doms ein wenig ... kümmerlich aussieht. Wir wollten beim Meister Albrecht eine Schätzung der Kosten in Auftrag geben. Deshalb waren wir vier als Abordnung der Bürgerbruderschaft, der Schöffen und der Zünfte bei ihm.«
Nikolaus lächelte. Gestern hatte Philipp von Buschfeld noch behauptet, sie wären zur Andacht dort gewesen – genau wie Walther Kirn vorhin. Also musste Junk längst bewusst geworden sein, dass Nikolaus diese Absprache durchschaut hatte. Aber der junge Mann wollte nicht weiter darauf eingehen. Er genoss den stillen Triumph und fragte deshalb: »Mit den Zünften meint Ihr sicher die großen Ämter, denn die kleinen sind ja nur bedingt im Rat vertreten.«
»Nicht jedes Amt kann im Rat vertreten sein, dann müsste er aus hundert Mitgliedern oder noch mehr bestehen. Wie soll das denn funktionieren?« Er lachte wohlwollend über seinen kleinen Scherz. »Sonst noch etwas?«
Doch anstatt sich zu verabschieden, fragte Nikolaus: »Schade, dass ich Eure Söhne noch nicht kennenlernen konnte. Wie ich hörte, sind sie geschäftlich unterwegs.«
Theodor Junk war durch die unerwartete Frage ein wenig verwirrt. »Ach. Das habt Ihr gehört?«
»Ja. Eure Tochter sagte es mir.«
»Ihr meint Helena?«
Nikolaus hob erstaunt die Augenbrauen. »Ja. Wen denn sonst? Soweit ich weiß, wohnt Eure älteste Tochter doch in Koblenz. Oder?«
»Wenn meine Söhne wieder zurück sind, werde ich sie Euch vorstellen. Sie sind außerordentlich tüchtig, sie haben viele neue Ideen für Trier. Konstantin wird mein würdiger Nachfolger werden.«
»Eure Tochter behauptet jedoch, sie wären plötzlich verschwunden, ohne sich zu verabschieden.«
»Das ist unsinnig. Sie mussten halt schnell los. Manchmal ist das eben nötig. Helena hat von geschäftlichen Dingen keine Ahnung. Wenn meine Söhne in ein paar Wochen wieder zurück sind, werden alle über ihre Tüchtigkeit staunen.«
»Ihr seid sehr stolz auf Eure Söhne.«
»Natürlich, das wäre jeder.«
»Und Ihr habt sicherlich schon die zukünftige Braut Konstantins ausgesucht.«
Theodor Junk stockte einen Augenblick. Ob er in diesem Augenblick an die wenig passende Freundin in der zwielichtigen Schänke dachte? Schließlich antwortete er betont langsam: »Er wird eine angemessene Braut bekommen.«
»Eine aus den Zünften? Die Tochter eines Meisters zum Beispiel?«
»Wie kommt Ihr darauf?«
Nikolaus lächelte gewinnend. »Ihr habt Eure Tochter doch einem Handwerksmeister gegeben.«
Der Schöffenmeister antwortete hastig: »Ich hatte meine Gründe dafür. Für meinen erstgeborenen Sohn kann es nur eine edle Braut geben.«
»Welche anderen Gründe gab es denn bei Helena?«
»Das geht Euch nichts an.«
»Nur, falls es nichts mit dem Unglück des Herrmann Albrecht zu tun hat. Sonst geht es mich sehr viel an.«
Junk reckte sich wieder. »Ich denke, Ihr geht zu weit. Es wäre besser, wenn Ihr mein Haus sofort verlasst. Ich werde mich beim Kurfürsten über Euer aufdringliches und unverschämtes Auftreten beschweren. Ich bin sicher, dass er auf mein Wort hören wird. Wir haben schon lange ein freundschaftliches Verhältnis.«
Nikolaus verbeugte sich und grinste. Diese letzte Behauptung nahm er dem Schöffen nicht ab. Seit Jahren gab es ständig Reibereien zwischen Otto und dem Rat. Die
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