Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
denn gar nichts erwähnt?«
»Jah, schon«, kam es gedehnt. »Bei der Reise mit seinem Vater ging es um irgendein großes Geschäft. Sie wollten etwas kaufen. Etwas sehr Wertvolles. Aber frag mich nicht was.«
»Und was war bei der zweiten Reise?«
»Er sagte nur, dass er jemanden treffen wollte, der ihnen helfen sollte, Trier berühmt zu machen und sie reich. Er war fast zwei Monate lang weg.«
»Das war aber eine weite Reise.«
»Ich glaub, die waren in Venedig. Seitdem hat Konstantin vom Leben in Venedig geschwärmt. Er hat mir versprochen, dass er mir dort ein Haus kaufen will, wenn er Trier endlich berühmt gemacht hat.«
Nikolaus erinnerte sich an Helenas Erzählung. Konstantin hatte dem Vater außergewöhnliche Glaskelche mitgebracht. Bestimmt welche aus Murano, das für seine Glasherstellung berühmt war. »Wer hat Konstantin begleitet?«
»Nur der zweite Augustus und der Caesar.«
»Was?«
Elise lachte auf. »Die Jungs haben da so ein Spiel, bei dem sie sich komische Titel geben. Konstantin ist Augustus senior, Crispus Augustus junior und Thomas von Buschfeld ist Caesar.«
»Ach, guckt an. Die sind befreundet? Helena Albrecht sollte doch eigentlich Thomas von Buschfeld heiraten.«
Sie nickte beflissen. »Mann, war der sauer! Der hat auf den Herrmann Albrecht geschimpft! Kannst mir glauben! Tagelang war der besoffen. Das kam ja alles so plötzlich.«
»Hat der Thomas dem Herrmann denn auch gedroht?«
Elise zuckte mit den Schultern. »Hab ich nichts von mitbekommen. Aber er hat öfter gesagt: Den bring ich um. Thomas wär‘ durch die Heirat in die mächtigste Schöffenfamilie hineingekommen. Konstantin und Crispus haben auch nicht verstanden, warum ihr Vater das gemacht hat. Die waren stinksauer – nicht auf ihren Alten, nee – auf diesen Zimmermann, und haben ihm die Pest an den Hals gewünscht. Stell dir das mal so richtig vor: Das reiche Mädchen bekommt nur ‘nen alten, armen Handwerker ab. Das versaut einem die ganze Jugend! Zum Glück ist der Kerl ja schnell genug abgekratzt.«
Die drei Freunde hatten also allen Grund gehabt, Herrmann Albrecht den Tod zu wünschen. Also hatten die Söhne von Theodor Junk auch nicht gewusst, was ihr Vater mit der Heirat bezweckt hatte. Aber vielleicht hatten sie sich gedacht, wenn der Meister erst aus dem Weg geräumt wäre, könnte Thomas von Buschfeld seine Chancen bei Helena wieder erhöhen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Und um nicht in Verdacht zu geraten, taten die drei so, als wären sie auf Reisen, versteckten sich aber für zwei Tage bei irgendeinem anderen Freund, ermordeten Albrecht und verließen dann erst die Stadt. In einigen Tagen kämen sie frohen Mutes zurück und wären aus dem Schneider. Keiner könnte ihnen etwas anhaben.
Plötzlich merkte Nikolaus, dass Elise schniefte. »Was ist?«, fragte er.
Sie antwortete sehr leise. »Ich musste daran denken, dass Konstantin mich bestimmt nie heiraten wird. Ich bin nur die Tochter eines Tagelöhners und einer Magd. Ich bin doch nur da, um ihm die Zeit zu vertreiben. Und wenn er nicht da ist, mach‘ ich das Gleiche für andere Männer. Sobald ich ihm zu alt bin, sucht er sich bestimmt ‘ne andere.«
Nikolaus atmete tief durch und wagte es nicht, dazu eine Bemerkung zu machen. Elise hatte den Kern der Sache erfasst. Für Konstantin kam nur eine standesgemäße Heirat infrage. Dass eine Straßenhure von einem edlen Prinzen erlöst würde, kam noch nicht einmal in Märchen vor.
Elise richtete sich plötzlich auf und wischte sich die Tränen mit dem Ärmel ab: »Was bedeuten eigentlich die Titel, die die Jungs immer benutzen? Konstantin meinte immer, dass ich das sowieso nicht verstehen würde. Du scheinst das aber zu kennen, ne?«
»Die spielten Tetrarchie 26 .«
»Was?«
Jetzt durfte Nikolaus keinen Rückzieher machen – er wollte es Konstantin Junk nicht gleichtun. Also musste er versuchen, die Sache so verständlich wie möglich zu erklären. »Die Tetrarchie war ein Herrschaftssystem zur Zeit des römischen Kaisers Konstantin, der für einige Jahre ja auch hier in Trier residierte. Zwei Herrscher mit dem Titel Augustus teilten sich das Reich. Der höhere der beiden war der senior, der niedrigere der junior – also Konstantin und Crispus. Jeder dieser beiden wählte sich einen Vertreter oder Nachfolger, das waren dann die zwei Caesaren.«
»Moment mal«, unterbrach ihn Elise. »Thomas von Buschfeld war der Einzige, den sie Caesar nannten.«
»Vielleicht war ein zweiter Caesar
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