Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
ihm zu kommen. Er habe nun den idealen Platz gefunden.«
»Was für einen Platz?«
»Ich habe keinen Schimmer, worum es ging.«
»Und da habt Ihr die drei Freunde zuletzt gesehen?«
»Stimmt genau.«
So wie Theodor Junk erklärt hatte, waren Konstantin, Crispus und Thomas am Samstagabend auf ein Schiff gestiegen, um nach Köln zu fahren. Aber das konnte Nikolaus nicht ganz glauben. Nach den Feindseligkeiten wegen Helena mussten die vier Nichtsnutze wieder zusammengefunden haben. Worum war es bei dem Treffen gegangen? Was hatten sie vor? Was für einen Platz hatte Herrmann Albrecht gefunden? Den Turm von St. Gangolf, von dem er sich stürzen wollte? Blödsinn! So etwas erzählt man doch keinem. Das Einzige, von dem man sicher ausgehen konnte, war die Tatsache, dass die drei Ratsherrensöhne nach diesem ominösen Treffen verschwunden waren. Wo und vor allen Dingen warum hatten sie sich versteckt? Nach den Reaktionen von Theodor Junk und Philipp von Buschfeld auf Nikolaus‘ Fragen wussten sie genau, wo sich ihre Sprösslinge aufhielten. Warum jedoch musste der Zunftmeister sterben? Auch das wussten die beiden Ratsherren ganz genau.
Konstantin, Crispus und Thomas mussten sich irgendwo versteckt haben. Als Anführer bestimmten sie, was wann wo zu tun war. Wer sonst hätte den Laufburschen Heinrich von Buschfeld und Peter Kirn den Auftrag zur Ermordung von Sebastian Vierland geben können? Zum Zeitpunkt des Anschlags saß der Prokonsul Rudolf Schauf schon längst im Kerker. Hätten die beiden kleinsten Lichter in dieser streng organisierten Gruppe es gewagt, eigenmächtig so etwas Schwerwiegendes zu unternehmen? Sehr unwahrscheinlich.
Nikolaus bedankte sich herzlich für die wertvollen Hinweise und überreichte dem Bettler einige Münzen. Der erwiderte den Dank und verabschiedete sich. Innerhalb eines Augenblicks war er in der kleinen Gasse bei St. Gangolf verschwunden.
Ratlos stand Nikolaus auf dem Marktplatz und sah den immer weniger werdenden Leuten zu, die ihre Karren mit dem restlichen Gemüse, das sie nicht verkauft hatten, beluden; denen, die die auf den Tischen vor ihren Geschäften oder Werkstätten ausgestellten Waren nun wieder hineintrugen; und denjenigen, die überall entlanghuschten, um noch schnell ein Schnäppchen zu machen.
Jetzt drängte sich ein anderer Gedanke wieder in den Vordergrund: Wo war Gesine Albrecht? Hatte man sie inzwischen gefunden? War sie wohlauf?
Kurz entschlossen machte er die Runde, um nachzufragen. Ulrich Trips, der Priester von St. Gangolf, hatte bisher nichts gehört. Die fürsorglichen Nachbarn in der Webergasse hatten ihre Suche erfolglos abgebrochen. An der Pforte des Katharinenklosters hieß es, dass Helena noch Besorgungen für ihre kränkliche Tante zu erledigen hätte. Also marschierte Nikolaus zum Tuchhändler Reichenau. Der hatte seine Untermieterin auch nicht mehr gesehen. Wusste Helena überhaupt schon, dass ihre Schwägerin verschwunden war? So oft wie er jetzt überall herumgefragt hatte, müsste sie es doch eigentlich schon erfahren haben. Aber warum hat sie ihm dann noch keine Nachricht zukommen lassen? Na schön. Warum sollte sie ihm vertrauen, wenn er ihr auch nicht über den Weg traute?
Niedergeschlagen und ratlos machte sich Nikolaus auf den Weg in die Domstadt. Er hatte keinerlei Bedürfnis, bei hereinbrechender Dämmerung abermals von irgendwelchen Verfolgern angegriffen zu werden. Stattdessen fragte er in der Wachstube nach, ob die Soldaten mit dem Viehhändler schon zurückgekehrt waren. Ja, waren sie, aber ohne Finken. Der hatte nach dem Besuch am Nachmittag das Weite gesucht und war seitdem nicht mehr gesehen worden. Auch Elise war nicht aufzufinden. Der Wirt behauptete jedenfalls, dass er sie seit dem Vortage nicht mehr gesehen hatte.
Nikolaus war nun erst recht enttäuscht. Alle Leute, die eine Auskunft geben konnten, verschwanden spurlos oder wurden umgebracht. Wer zog im Hintergrund die Fäden? Wer versuchte hier mit allen Mitteln, ein paar schmutzige oder unangenehme Geheimnisse zu bewahren? Wer profitierte am meisten, dass alles wie bisher weiterlief? Immer wieder drängte sich ihm der Name Theodor Junk auf. Der Schöffenmeister hatte viel vor, aber mindestens genauso viel zu verlieren. Er war die Schlüsselgestalt in diesem Durcheinander. Nur er verfügte über genügend Macht und Einfluss und war darüber hinaus durch und durch skrupel- und erbarmungslos. Und allem Anschein nach hatte er ja schon mindestens einen Menschen auf dem
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