Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
die ich jetzt hier bin, noch gar nicht gesehen.«
»Der Kurfürst hatte uns losgeschickt, einen Streit zwischen zwei Ortschaften zu schlichten. Ich kam erst gestern Nachmittag wieder hier an. Wie kann ich Euch helfen?«
Nikolaus musste sich zurückhalten, um nicht zu hämisch zu grinsen. »Ich wollte mit den Gefangenen reden.«
»Gut. Dann kann Euch der Gottfried ja hinunterführen.« Dabei zeigte er auf den mürrischen Soldaten, dem alle Gesichtszüge entglitten waren, als sich sein Vorgesetzter vor dem Ruhestörer verbeugt hatte.
»War der ehrwürdige Dompropst eigentlich schon bei den Gefangenen?«
»Gestern Abend wollte der Herr von Meuren gerade mit ihnen sprechen, aber genau in dem Augenblick kam ein Abgesandter aus Rom. Und die beiden sind dann zusammen in die Propstei hinüber.«
»Und was war das für ein Abgesandter?«
»Ich glaube, er nannte sich Cesarini.«
Nikolaus rief freudig aus. »Ihr meint Giuliano Cesarini?« Sollte es sein Freund und Lehrmeister aus Padua sein?
Der Hauptmann zuckte mit den Schultern. »So genau habe ich auch nicht zugehört. Aber nachdem die Ankunft des Gastes durch einen Priester gemeldet worden war, ist von Meuren gleich los.«
Nikolaus war ein wenig verwundert. Es musste sich schon um eine sehr wichtige Angelegenheit handeln, wenn Giuliano ihn nicht besucht hatte. »Ist der Gesandte Cesarini noch beim Dompropst?«
»Da müsst Ihr ihn selbst fragen.«
Der junge Mann war ganz aufgeregt. Er wollte am liebsten gleich hinüber zu seinem Freund. Hoffentlich hatte der ein bisschen Zeit und Muße, um bei ihm zu verweilen. Er hatte so viel zu erzählen: von seinen Studien in Köln, seinen umfangreichen Nachforschungen und dass er nun auch Lehrmeister war und selbst Vorlesungen halten durfte.
»Und seit der Ankunft von Cesarini hat Simeon von Meuren nicht mehr mit den Gefangenen gesprochen?«
»Mit keinem einzigen. Der war den ganzen Morgen noch nicht da.«
Nikolaus nickte. Das war gut. Der Dompropst hätte in seiner übereifrigen und oberflächlichen Art bestimmt sofort zu drastischen Maßnahmen gegriffen, um eine Aussage zu bekommen. Und von solchen unter Folter oder auch nur unter der Androhung von Schmerzen erpressten Geständnissen hielt er gar nichts.
Doch Gottfried fügte hinzu: »Als der Dompropst mit dem Gesandten und dem Hauptmann gerade fort war, kam eine junge Frau und fragte, ob sie den drei jungen Männern Essen bringen dürfte.«
»Ihr meint die drei Söhne der Ratsherren?«
»Ganz genau.«
»Kanntet Ihr die junge Frau?«
Er schüttelte den Kopf. »Sie hatte ein Tuch um und es sich weit ins Gesicht gezogen, sodass man sie gar nicht richtig anschauen konnte. Sie schämte sich bestimmt.«
Nikolaus war erstaunt. »Sagte sie, wer sie sei?«
»Sie sagte, sie wäre eine Verwandte.«
»Mehr nicht?«
»Sie sah mir nicht gefährlich aus. Also habe ich nicht weiter gefragt und sie hinuntergeführt.«
Nikolaus richtete seinen fragenden Blick auf den Soldaten. »Und?«
»Die Burschen haben sie freudig begrüßt. Sie kannten sich.«
»Wie haben die Burschen sie genannt?«
Gottfried zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht darauf geachtet. Ich habe gewartet und aufgepasst, damit sie nicht versucht, die Ketten zu lösen. Schon nach kurzer Zeit ist sie wieder gegangen.«
Wer das bloß gewesen war? Mit wem der drei war sie verwandt? Oder es war nur eine Ausrede gewesen, damit man sie zu ihnen ließ? Genauso gut konnte es also auch eine Dienstmagd oder eine Freundin gewesen sein. War ja auch egal.
Nikolaus bedankte sich beim Hauptmann und eilte zur Propstei. Er freute sich wie ein kleines Kind, Giuliano wiederzusehen. An der Universität in Padua hatte er bei ihm kanonisches Recht gelernt. Durch die anschließenden Gespräche – nicht nur über Kirchenrecht, sondern auch über Medizin, Mathematik und Astronomie – wurden aus Student und Lehrer schließlich Freunde. Nikolaus hatte sich schon lange gewünscht, diese Zeit wieder aufleben zu lassen. Hoffentlich war es möglich, wenigstens den kommenden Abend gemeinsam zu verbringen. Dem jungen Mann aus Kues war bewusst, dass sein Freund in wenigen Jahren Kardinal sein würde. Schließlich stammte der aus einer Adelsfamilie mit besten Verbindungen zum Papst, er selbst nur aus einer Händlerfamilie, zwar wohlhabend, aber eben nur bürgerlich. Doch Nikolaus gönnte es ihm von ganzem Herzen.
Er fand Meuren schließlich im Archiv, in dem er bis vor drei Tagen noch selbst in alten Urkunden stöbern durfte. Nikolaus
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