Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
sie wohlauf ist.«
»Ja, ich werde heute wieder für sie beten.«
Nikolaus bedankte sich und eilte an ihr vorbei hinunter. Es war zu hoffen, dass wenigstens Helena Albrecht etwas gehört hatte. Vielleicht war ja bei ihr im Kloster eine Nachricht angekommen.
Einige Augenblicke später war er am Katharinenkloster und klopfte an die schwere Tür. Ihm fehlte die nötige Geduld, sodass er nach einem kurzen Moment abermals klopfte. Und dann noch einmal.
Von innen hörte man plötzlich eine gereizte Stimme. »Ja, doch! Ich komme!« Sekunden später wurde die Tür aufgerissen. Die alte Pförtnerin erkannte den Besucher wieder und blickte ihn verständnislos an. »Werter Herr, wir sind gerade beim Mittagslob 33 . Würdet Ihr bitte später wiederkommen?«
Aber das wollte Nikolaus keinesfalls. »Ich muss auf der Stelle mit Helena Albrecht sprechen.«
»Das geht nicht. Sie ist verhindert«, kam die schnippische Antwort.
»Dann führt mich bitte zu Eurer ehrwürdigen Äbtissin. Die Sache ist dringend.«
Die Nonne wurde ein wenig unsicher. »Das kann schließlich jeder behaupten.«
»Wollt Ihr die Verantwortung für eine Sache übernehmen, die Ihr Euch nicht anhören wollt?«
Sie überlegte einen Moment hin und her. Schließlich sagte sie: »Kommt!«
Zusammen gingen sie zum Klostergebäude – die Pförtnerin energischen Schrittes voran, der junge Mann hinterher. Nikolaus konnte nun die fernen Gesänge der Schwestern hören. Im Kreuzgang angekommen wurde ihm befohlen, dort zu warten. Dann hetzte die Nonne davon.
Es dauerte nicht allzu lange, und Helena kam um die Ecke. Sie war sehr blass, ihre Augen hatten Ränder und waren leicht gerötet. Stocksteif blieb sie vor ihm stehen, die Hände vor dem Bauch gefaltet. Nach dem Austausch einer kurzen Begrüßung fragte sie: »Was kann ich für Euch tun?«
»Ich suche Eure Schwägerin Gesine. Wisst Ihr, wo sie ist?«
»Was wollt Ihr von ihr?«
Nikolaus konnte seine Erregung kaum bändigen. »Sie ist seit vorgestern Abend verschwunden! Alle Nachbarn suchen verzweifelt nach ihr. Und zu allem Überfluss haben wir Blut auf dem Fußboden in ihrer Kammer gefunden. Da macht man sich doch ernsthafte Sorgen!«
»Das ist nicht nötig. Sie ist hier.«
»Was?« Nikolaus konnte es kaum fassen, dass Helena ihm so ruhig entgegentrat, als ginge es um etwas Belangloses. »Seit wann?«
»Seit vorgestern Abend.«
»Und warum hat sie ihren Nachbarn nicht Bescheid gesagt? Die durchsuchen aus Sorge, ihr könnte etwas Schlimmes passiert sein, die ganze Stadt.«
Die junge Witwe atmete tief durch, als suche sie die richtigen Worte. »Es ging nicht anders. Sie konnte niemandem Bescheid geben.«
»Warum nicht? Ist sie verletzt?«
»Nein.«
»Weswegen dann?«
»Ich denke, das ist eine private Angelegenheit. Das Gespräch ist zu Ende.« Sie drehte sich um und ging los.
Aber Nikolaus hielt sie am Arm zurück. »Einen Moment bitte.«
Ärgerlich schüttelte sie ihn ab. »Was erlaubt Ihr Euch?«
»Wenn Ihr nicht wollt, dass ich mit der Stadtwache zurückkomme, führt mich bitte zu ihr.«
»Mit welchem Recht?«
»Sie weiß etwas, was den Tod ihres Bruders betrifft. Eures Ehemanns!«
Helena schwieg und starrte ihr Gegenüber alles andere als freundlich an.
»Wollt Ihr einen Riesenauflauf? Oder lasst Ihr mich mit ihr reden? Eure Entscheidung.«
Sie presste ihre Lippen zusammen. Schließlich gab sie nach und bat Nikolaus, ihr zu folgen. Sie gingen durch eine der angrenzenden Türen, eine Treppe hinauf und einen langen Gang entlang. Schließlich blieb Helena vor einer Tür stehen. Sie zögerte einen Augenblick, trat dann aber ein.
In dem Raum stand ein Bett. Darin lag ein Mann, dem eine Frau gerade einen kalten Umschlag auf die Stirn legte. Beide sahen erstaunt auf, als der unerwartete Besucher eintrat. Die Frau war – Gesine Albrecht. Sie sah ebenfalls übermüdet aus – ähnlich wie Helena –, schien sich jedoch bester Gesundheit zu erfreuen. Nirgends konnte man den Hinweis auf eine Verletzung, Blessur oder einen Verband entdecken.
»Ihr?« Sie hatte Nikolaus wiedererkannt. »Was wollt Ihr hier?«
»Alle Welt sucht Euch. Viele Leute haben sich Sorgen gemacht.«
Ein wenig verlegen strich sie sich durch ihr offenes, graues Haar, das ihr wirr um den Kopf hing. »Ich habe hier meinen Bruder gepflegt.«
Sie zeigte auf den Mann, der in dem Bett lag. Er sah fiebrig aus. Schweiß rann ihm übers Gesicht, und er zitterte.
»Ihr seid Franz Albrecht, nicht wahr?«
Der Kranke nickte.
Plötzlich
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