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Schweigenetz

Titel: Schweigenetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Umständen stattfinden«, erklärte der Agent. Aus dem verzerrten Mund seiner Hexenmaske klangen die Worte gedämpft. »Wir haben Nawatzki unser Angebot für einen zweiten Versuch erst vor wenigen Tagen zukommen lassen, und gestern Früh erreichte mich über Umwegen seine Zusage.«
    »Was geht mich das an?«, fragte Carsten.
    »Können Sie sich das nicht denken?«
    Konnte er. Und es gefiel ihm nicht im Geringsten.
    »Wenn dieses Treffen stattfindet, hat Nawatzki sein erstes Ziel erreicht – uns aufzuspüren!«, sagte Fenn. »Sie braucht er dann nicht mehr. Sobald er sicher sein kann, dass er uns gegenüberstehen wird, sind Sie tot. Sie wissen viel zu viel über diese Sache, als dass er Sie davonkommen lassen könnte.«
    Carsten sah an ihm vorbei zur nachfolgenden Gondel. In der Dunkelheit waren Nina und die drei Hexen kaum mehr als schattenhafte Umrisse. Er fror erbärmlich.
    »Und warum interessiert Sie das?«
    Fenn zuckte mit den Schultern. »Wir wollen Ihr Leben retten.«
    »Wie nobel.«
    »Sparen Sie sich Ihren Sarkasmus. Glauben Sie mir, mir persönlich ist gleichgültig, was mit Ihnen geschieht. Aber Sandra legt Wert darauf, dass Sie am Leben bleiben. Und was ich mir im Augenblick am allerwenigsten leisten kann, ist eine Rebellion in den eigenen Reihen. Sandra will, dass Sie gerettet werden, also retten wir Sie.«
    »Und was soll ich dafür tun?«, fragte Carsten misstrauisch. »Leute wie Sie machen doch kein solches Angebot, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.«
    Fenn lachte bitter hinter seiner Maske. »Sie haben recht. Vielleicht brauchen wir Sie später noch, vielleicht auch nicht. Abgesehen davon kann ich für Ihr Leben natürlich nicht garantieren. Ich bin froh, wenn ich selbst heil aus dieser ganzen Sache herauskomme.«
    Carsten überlegte einen Augenblick. »Was soll ich tun?«
    Fenn warf einen beunruhigten Blick hinauf zur näher rückenden Bergstation. Noch eine Minute, höchstens. Sie mussten sich beeilen. Michaelis' Männer würden oben warten.
    »Übermorgen werden wir Sie abholen lassen. Man wird Sie zu einem Versteck bringen, wo Sandra auf Sie wartet.«
    »Was für ein Versteck ist das?«
    »Der Ort, an dem wir uns während der ganzen Zeit vor Nawatzkis Leuten verkrochen haben. Ein leerstehender Wachturm am ehemaligen Todesstreifen. Weit und breit nichts als Wald, Berge und ein vergessenes Minenfeld.«
    »Was ist mit Nina?«
    »Nichts. Sie bleibt in Tiefental. Das Angebot gilt nur für Sie.«
    »Nawatzki wird sie umbringen lassen.«
    »Das ist schade, aber unwesentlich.«
    »Unwesentlich?« Carsten ballte beide Hände zu Fäusten, machte aber nicht noch einmal den gleichen Fehler wie zuvor. Stattdessen zog er blitzschnell den rechten Fuß in die Höhe und rammte ihn Fenn in den Magen. Die Reaktion der beiden anderen kam zu spät. Fenn krümmte sich vor Schmerz.
    »Das … das war unklug«, stöhnte er, aber es klang nicht wie eine Drohung. »Wir befinden uns fast in Sichtweite der Station. Wenn Ihre Verfolger gesehen haben, dass wir miteinander … sprechen, kommt keiner von uns lebend zurück ins Tal.«
    Carsten wusste, dass Fenn recht hatte, ging aber nicht darauf ein. »Wenn Sie mein Leben retten wollen, dann müssen Sie dasselbe für Nina tun.«
    Fenn lachte. »Und was sonst? Wollen Sie auf eigene Faust versuchen, Nawatzki zu entkommen? Seien Sie doch nicht kindisch! Ohne unsere Hilfe überleben Sie keine vierundzwanzig Stunden.«
    »Ich gehe zur Polizei«, sagte Carsten fest.
    Fenn nickte. »Die werden Sie an die Kripo überstellen. Und von dort aus landen Sie beim BND. Wahrscheinlich wird man Sie bereits auf dem Weg dorthin verschwinden lassen. Großer Gott, haben Sie denn immer noch nicht begriffen, mit was Sie es hier zu tun haben? Nawatzki ist kein Gangsterboss. Der Mann arbeitet für den gottverdammten Staat!«
    Carsten gab keine Antwort.
    »Sie können nicht vor einem Land davonlaufen«, sagte Fenn.
    »Tun Sie etwas anderes?«
    »Nein, aber die Hälfte meiner Leute ist tot. Das Treffen in Prag ist unsere letzte Chance. Ich bin nicht so naiv wie Sie, Carsten. Ich würde nicht darauf wetten, dass ich dieses Jahr noch Weihnachtslieder singe.«
    Carsten atmete tief durch. Die Distanz zur Station schrumpfte auf zehn, dann auf fünf Meter. Schließlich sagte er: »Richten Sie Sandra aus, dass ich das Angebot annehme. Aber nur, wenn Nina mit mir kommt. Keine Diskussion über diesen Punkt, sagen Sie ihr das.«
    Fenn schüttelte unmerklich den Kopf. Im selben Augenblick schaukelten sie ins

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