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Schweigenetz

Titel: Schweigenetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Männerhand auf seinen Unterarm. Aus den Sehschlitzen einer Hexenmaske traf ihn ein kurzer Blick. Fenn.
    »Sie sind dran«, sagte der Mann, der den Passagieren ihre Plätze zuwies.
    Ehe Carsten reagieren konnte, drängten Fenn und zwei andere Maskierte ihn zur offenen Gondel.
    »Nina!«, entfuhr es ihm. Ihre Finger entglitten seiner Hand. Plötzlicher Schrecken verzerrte ihr Gesicht. Nur keine Panik, dachte er. Michaelis' Männer dürfen nichts bemerken.
    »Tun Sie so, als seien Sie versehentlich getrennt worden«, zischte Fenn, als er ihn in die Gondel schob. Drinnen war gerade Platz genug für vier Personen.
    »Was ist mit Nina?«, fragte er wütend und ängstlich zugleich, als die Metalltür zugeschlagen wurde.
    »Kommt mit der nächsten Gondel hinterher«, sagte Fenn und sah ihn dabei nicht an. Stattdessen wandte er seinen Blick entlang der Stahlseile hinauf zum Hexentanzplatz. Die erleuchtete Felsklippe schien weit, weit oben im Nachthimmel zu schweben.
    Carsten warf einen letzten Blick zurück und sah, wie die drei verbliebenen Hexen Nina in die nachfolgende Gondel führten. Er bezweifelte, dass ihre Verfolger auf die seltsame Aktion hereinfallen würden. Er sah, dass Nina sich redlich bemühte, ihre Furcht mit einem Lächeln zu überspielen. Sie traute Fenn noch viel weniger als er selbst; er ahnte, welche Ängste sie in diesem Augenblick ausstand.
    Mit einem mörderischen Ruck setzte sich die Gondel in Bewegung, rumpelte durch eine schmale Schneise und wurde schließlich ins Freie und in die Höhe gezogen. Schaukelnd schwebten sie in steilem Winkel nach oben. Der Boden blieb unter ihnen im Dunkeln zurück.
    »Was soll das?«, fragte er wütend.
    Fenn machte keinerlei Anstalten, seine Maske abzuziehen. Die beiden anderen sahen stur geradeaus und schienen ihn gar nicht zu beachten.
    »Warum haben Sie sie mitgebracht?«, stellte Fenn eine Gegenfrage.
    »Sie steckt genauso tief in der Sache wie ich selbst.«
    »Ach ja? Und auf welcher Seite?« Er sah, wie sich Fenns Augen im Schatten der Maske zu Schlitzen verengten. »Haben Sie je darüber nachgedacht, ob sie vielleicht zu Michaelis gehört?«
    Carsten beugte sich vor, holte aus und wollte zuschlagen, als einer der beiden anderen Maskierten aus seiner Erstarrung erwachte, seinen Unterarm packte und festhielt. Die Gondel begann wild zu schaukeln.
    »Hören Sie auf damit«, sagte Fenn ruhig. Carstens Reaktion schien ihn nicht zu beeindrucken. »Wir haben keine Zeit für solche Spielchen. Ihrer Freundin wird nichts geschehen. Aber das, was ich Ihnen zu sagen habe, geht sie nichts an. Erzählen Sie ihr nichts davon. Ob aus Rücksicht auf ihre Sicherheit oder aus Misstrauen, ist mir gleichgültig. Halten Sie sie einfach aus der ganzen Angelegenheit heraus.«
    »Wo ist Sandra?«
    Die Frage schien Fenn wütender zu machen als der versuchte Angriff. »Können Sie nur ein einziges Mal Ihre privaten Sentimentalitäten für sich behalten? Es geht ihr gut, das muss reichen. Sie haben doch ihre Schrift erkannt, oder?«
    »Für wie dumm halten Sie mich? Irgendwer hat jahrelang ihre Handschrift gefälscht. Wieso sollte ich glauben, dass dieser Zettel von ihr stammt?«
    Fenn lächelte hintersinnig, gab aber keine Antwort darauf. Er sagte: »Die Fahrt nach oben dauert nur wenige Minuten. Wir haben fast die halbe Strecke hinter uns, deshalb hören Sie mir jetzt bitte ganz genau zu.«
    Carsten wollte aufbegehren, gegen Fenns Ton, gegen die Art, wie man mit ihnen umging, und gegen das, was der ehemalige Agent über Nina angedeutet hatte. Dann aber schluckte er seine Wut herunter und tat, was Fenn ihm sagte. Sie hatten keine Zeit. Und es stand mehr auf dem Spiel als seine eigene verdammte Eitelkeit.
    »Ich habe Ihnen in Leipzig gesagt, dass wir uns über kurz oder lang wiedersehen würden«, sagte Fenn. »Dass nur zwei Tage seitdem vergangen sind, überrascht Sie vielleicht genauso wie mich selbst. Aber dafür gibt es einen sehr wichtigen Grund.«
    Sie schaukelten in großer Höhe durch die Finsternis. Carsten konnte den Boden nicht erkennen. Die Gipfel turmhoher Fichten stachen wie Speerspitzen aus der Dunkelheit, und einmal passierten sie eine Reihe zerklüfteter Felsnadeln.
    Fenn fuhr fort. »Es wird in wenigen Tagen ein zweites Treffen mit Nawatzki geben. In Prag. Ich habe Ihnen erzählt, dass wir bereits einmal versucht haben, mit ihnen zu verhandeln.«
    Carsten nickte. Die Sache in Budapest. Der Tote aus Sebastians Unterlagen.
    »Das Treffen in Prag wird unter anderen

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