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Schweigenetz

Titel: Schweigenetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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die Rothaarige über der Leiche ihres Partners zusammenbrechen. Ihre Augen waren rund und geweitet, ihre Mundwinkel zuckten.
    Dann fuhr sie blitzschnell herum und richtete ihre Waffe auf Carsten und Nina. In der Dunkelheit war es leicht, eine Waffe zu übersehen. Sie schien davon auszugehen, dass einer von ihnen geschossen hatte.
    Ein zweiter Schuss krachte, eine Kugel schlug nur wenige Zentimeter vor den Füßen der Frau auf den Boden und surrte als Querschläger davon. Wie angewurzelt blieb sie stehen und sah sich um.
    »Fallen lassen!«, ertönte es hallend aus den Schatten.
    Fallen lassen, fallen lassen sang das Echo.
    Die Rothaarige warf ihre Waffe auf den Boden. Stahl klirrte auf Stein.
    »Treten Sie zurück!«, sagte die Stimme. Jetzt erkannte Carsten, dass sie einer Frau gehörte.
    Suchend hob er den Kopf und sah sich um.
    Oben, auf einer Balustrade über dem Tor, sah er die schwarzen Umrisse einer Gestalt. Das Fenster an der Stirnseite wurde erneut vom Flackern der Mündungsfeuer erhellt. Ein verwaschener Lichtschimmer huschte über ihre Züge, ganz kurz nur.
    Carsten hatte dieses Gesicht zuletzt vor vierzehn Jahren gesehen. Es hatte sich kaum verändert.
    Nina starrte ihn an und erkannte die Wahrheit im selben Augenblick wie er selbst. Fast ehrfürchtig wandte sie den Blick hinauf zur Balustrade. »Sie ist es, nicht wahr?«
    Carsten nickte stumm.
    Michaelis setzte dem Mönch die Pistole an den Hinterkopf und drückte ab. Es klickte. Das Magazin war leer. Der Mann fuhr herum, er riss sein Gewehr hoch, kam aber nicht mehr dazu, abzudrücken. Michaelis rammte ihm sein Stilett in die Kehle. Ein gurgelnder Laut drang aus dem halbgeöffneten Mund des Mönchs, gefolgt von einem Schwall hellen Blutes. Dann brach er zusammen. Michaelis nahm das Gewehr an sich und trat durch die Tür, die der Mann bewacht hatte.
    Von überall her war jetzt Gefechtslärm zu hören. Seine Männer stürmten das Kloster. Noch immer leistete ein Großteil der Mönche erbitterten Widerstand. Michaelis zollte Fenn Respekt. Wie auch immer er es geschafft hatte, diese Männer auf seine Seite zu ziehen, es war ein Meisterstück.
    Er betrat ein kleines Vorzimmer, in dem ein Schreibtisch und ein Aktenschrank standen. Eine Schreibmaschine war mit einer Kunststoffhülle abgedeckt. Auf der anderen Seite gab es eine zweite, mit Leder gepolsterte Tür.
    Michaelis ging hindurch und betrat das Büro des Abtes. Er sah einen großen Schreibtisch, penibel aufgeräumt, eine Sitzgarnitur in der Ecke und hohe, dichtbestückte Bücherregale, die alle vier Wände bedeckten. Es überraschte ihn nicht, dass sich niemand hier aufhielt.
    Hinter einem Durchgang zwischen Regalen führte eine schmale Treppe in den zweiten Stock. Michaelis folgte den Stufen und gelangte in ein Wohnzimmer. In der Mitte stand ein großes Aquarium. Exotische Fische glitten träge durch diffuses Dämmerlicht.
    Auch das Schlafzimmer, das direkt an diesen Raum grenzte, war menschenleer. Michaelis fluchte. Er hatte gehofft, den Abt in seinen eigenen Räumen aufstöbern und als Geisel nehmen zu können.
    Während er überlegte, was zu tun sei, entdeckte er die offene Falltür neben dem Bett. Darunter führte eine dunkle Treppe in die Tiefe. Er horchte. In weiter Ferne hörte er Schritte.
    Michaelis sprang die Stufen hinunter und gelangte, das Gewehr im Anschlag, in einen niedrigen Korridor. Offenbar handelte es sich um einen alten Fluchtweg, den die Erbauer des Klosters für ihre Herren eingerichtet hatten. Die Schritte klangen hier unten lauter, entfernten sich aber stetig.
    Er rannte los, tief gebückt, um sich nicht den Kopf an der feuchten, schulterhohen Decke anzustoßen. Spinnweben wehten ihm ins Gesicht. Ein eisiger Luftzug strömte durch den unterirdischen Gang und ließ ihn trotz der Anstrengung frösteln.
    Die Schritte in der Ferne wurden schneller. Man hatte ihn bemerkt. Michaelis lief so schnell er konnte. Wenn er sich nicht täuschte, gehörten die Schritte zu zwei Personen.
    Eine halbe Minute später sah er sie, als eine Tür am Ende des Gangs geöffnet wurde und die beiden sich als Umrisse vor dem halbdunklen Rechteck aus Sternenlicht abzeichneten. Es waren zwei Männer in Kutten. Einer davon, nahm er an, war der Abt.
    Michaelis war überrascht, wie nah er den beiden bereits gekommen war. Noch dreißig Meter.
    Er hätte schießen können, aber er wollte den Mann lebendig.
    »Bleiben Sie stehen!«, schrie er.
    Die beiden Mönche liefen ins Freie und verschwanden aus seinem

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