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Schweigenetz

Titel: Schweigenetz
Autoren: Kai Meyer
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Autokennzeichens. »Stellen Sie Ihren Wagen dort ab, und lassen Sie den Schlüssel stecken. Jemand wird ihn für die Dauer Ihrer Abwesenheit verschwinden lassen. Bringen Sie keine zusätzliche Kleidung oder persönliche Gegenstände mit.«
    »Selbstverständlich nicht.«
    Niklas legte auf. Er durfte jetzt keine Zeit verlieren. Als er in die Küche kam, war Fabian verschwunden. Das war gut so. Er schrieb einen kurzen Brief an Gabi und ließ ihn auf dem Tisch liegen. Er würde sie in den nächsten Tagen anrufen und seine Lüge durch ein paar Details stützen. Sie hatte sich schon früher damit abgefunden.
    Aber da waren es einzelne Tage gewesen, mal ein Wochenende. Jetzt hatte Nawatzki von mehreren Wochen gesprochen.
    Egal. Keine Zeit.
    Er sprang ins Auto und fuhr durch Königswinter Richtung Osten, dahinter auf die A 3. Einige Kilometer hinter Bad Honnef fiel ihm etwas ein. Er stoppte den Wagen mit flackernder Warnblinkanlage auf dem Seitenstreifen, löste den Zündschlüssel vom Bund und warf die restlichen Schlüssel so weit er konnte hinaus aufs Feld. Den Schlüssel für den Wagen sollte Nawatzki haben, der Rest ging ihn nichts an. Er legte keinen Wert darauf, dass irgendjemand Nachschlüssel zu seinem Haus in die Finger bekam.
    Kurz darauf bog er auf den Parkplatz einer kleinen Raststätte. Das weiße Wohnmobil stand an einem Waldrand. Das Kennzeichen stimmte. Niklas parkte den Ford rund vierzig Meter davon entfernt, stieg aus und schob die Antenne ein. Den Zündschlüssel ließ er stecken.
    Während er mit schnellen Schritten auf das Wohnmobil zuging, überlegte er fieberhaft, wer darin auf ihn warten mochte. Er nahm an, dass es Leute waren, mit denen er bereits früher zusammengearbeitet hatte. Vorne war niemand zu sehen, an den hinteren Scheiben waren die Vorhänge zugezogen.
    Er klopfte. Wurde eingelassen.
    In der Kabine befanden sich zwei Männer und eine Frau. Alle drei trugen Straßenkleidung. Die Frau kannte er, Nadine. Knapp dreißig, langes, dunkelrotes Haar. Blaue Augen, athletischer Körperbau. Sie war perfekt im Umgang mit Sprengstoff.
    Die beiden Männer hatte er noch nie zuvor gesehen.
    Der eine streckte die Hand aus. »Tomas, ohne h«, stellte er sich vor. Sein Händedruck fühlte sich leicht an, nicht schwammig, eher sehnig wie der eines Pianisten. Er hatte dichtes, schwarzbraunes Haar und trug eine Nickelbrille mit Drahtgestell. Auf den ersten Blick sah er aus wie ein Student. Niklas nahm an, dass er der Scharfschütze war.
    Der zweite Mann nannte sich Rochus. Er war ein paar Zentimeter größer als er selbst, hatte kurzes, strohblondes Stoppelhaar und einen silbernen Stecker im linken Ohr. Er lächelte, aber sein Blick hatte etwas Verschlagenes, mit viel zu viel unkontrollierter Brutalität. In ihm sah Niklas ein Problem.
    Fehlte nur noch der Mann für Anschläge aus nächster Nähe. Niklas nahm an, dass er selbst diesmal derjenige war.
    »Wer sitzt im PKW?«, fragte er Nadine. Es war üblich, dass ein Einzelner dem Team bei allen Einsätzen in einem Kleinwagen folgte und ihre Spuren verwischte.
    »Alexander«, erwiderte sie.
    Das war gut. Niklas kannte ihn von früher, länger noch als Nadine. Auf ihn war Verlass.
    Er wollte aussteigen und zu ihm hinübergehen. Nadine hielt ihn zurück. »Er ist nicht hier. Laut Order hängt er sich erst in Gießen hinter uns.«
    Er nickte. Niemals beide Wagen zusammen auf einem Parkplatz, so lautete die Regel. Er war nicht sicher, ob er noch der Richtige für diesen Job war.
    Während Rochus nach vorne kletterte und den Camper auf die Autobahn lenkte, überprüften die Übrigen die Ausrüstung.
    Alexander schloss sich ihnen am vereinbarten Treffpunkt an. Eineinhalb Stunden später überquerten sie bei Eisenach die ehemalige Zonengrenze.
    Am Sonntagnachmittag lieh Carsten sich von Elisabeth zwei alte Lederkoffer, faltete notdürftig den Großteil seiner Kleidungsstücke zusammen und legte sie hinein. Dazu zwei Ordner mit Bankpapieren, Versicherungen, Belegen für die Steuer und anderen Dokumenten. Den neuen Arbeitsvertrag hatte er obenauf geheftet.
    In einer alten Mappe entdeckte er nach langem Suchen seinen Führerschein. Er war jetzt seit fast zwei Jahren selbst kein Auto mehr gefahren. Hier in Frankfurt hatte er die U-Bahn benutzt, seinen alten Wagen hatte er längst verkauft. Er war gespannt, was für ein Gefühl es sein würde, wieder hinterm Steuer zu sitzen.
    Nachdem er gepackt hatte, schrieb er einen Brief an Sandra. Er teilte ihr mit, dass er
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