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Schweigenetz

Titel: Schweigenetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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bestätigend. »Aber wäre es aus Fenns Sicht nicht sinnvoller gewesen, einen von uns zu liquidieren? Jemanden, der in direktem Konflikt mit ihnen liegt? Sie, beispielsweise«, sagte er und deutete auf Michaelis.
    Nawatzki verneinte. »Das wagen sie nicht. Im Augenblick versuchen sie es noch auf anderem Wege. Sie wissen, dass Worthmann ihnen in die Quere kommen könnte, deshalb legen sie ihm Steine in den Weg. Andererseits lassen sie ihn selbst in Frieden. Ansonsten gäbe es Unstimmigkeiten innerhalb ihrer Gruppe, die sie sich nicht leisten können. Also versuchen sie, ihre Spuren zu verwischen. Und die erste, die er hatte …«
    »… waren die Briefe, natürlich«, führte von Heiden den Satz zu Ende.
    »Naheliegend wäre in ihrer Position, ihm eine Warnung zu übermitteln«, meinte Michaelis. »Vor uns und vor ihnen selbst.« Nawatzki zog eine Pfeife hervor und begann sie zu stopfen.
    »Ein einfacher Zettel würde nicht ausreichen, um ihn zu überzeugen«, erklärte von Heiden. »Und persönliche Kontakte kommen nicht in Frage. Das müsste ihre Abschirmung verhindern, Herr Michaelis, nicht wahr?«
    Tritt nach unten, du Mistkerl, wenn es dir selbst von oben an den Kragen geht, dachte Michaelis. Er schenkte dem Verlagsleiter einen abschätzigen Blick. »Natürlich.«
    »Nun«, fuhr Nawatzki dazwischen, bevor sich der Wortwechsel der beiden zum Streit ausweiten konnte, »fest steht, dass Worthmann seine Recherchen fortsetzen und vor allem beschleunigen muss. Dafür haben Sie zu sorgen.«
    Michaelis nickte.
    »Wir wissen nicht, ob die Briefe noch ausgewertet wurden, bevor sie verschwanden und …«
    »Entschuldigen Sie«, unterbrach Michaelis ihn, »aber das wissen wir sehr wohl. Oder glauben es zumindest zu wissen. Bevor Korall starb, zeigte er die Briefe einem Schriftsachverständigen der örtlichen Polizei. Tafuri konnte mir vor meinem Abflug nicht mehr mitteilen, ob Worthmann diesen Sachverständigen heute noch aufgesucht hat. Spätestens morgen Früh haben wir darüber Gewissheit. Sollte dies der Fall sein, müsste er misstrauisch werden. Wahrscheinlich weiß er jetzt, dass mit Sandra Kirchhoffs Todesdatum etwas nicht stimmen kann, und das sollte ihm neuen Antrieb geben. Früher oder später wird er sie finden, kein Zweifel.«
    »Später ist zu spät«, sagte Nawatzki.
    »Die Zeit drängt.«
    Michaelis hob die Schultern. »Es ist schwer, Worthmanns Spurensuche zu beschleunigen, ohne dass er Verdacht schöpft. Sobald er bemerkt, dass wir ihn steuern, wird er die ganze Sache hinschmeißen.«
    »Zur Not drehen wir den Spieß um«, meinte von Heiden. »Bedrohen Sie ihn, und die anderen werden von sich aus auf der Spielfläche erscheinen.«
    Michaelis stimmte zu. »Ich glaube, Herr von Heiden hat recht. Vielleicht können wir sie so aus ihren Löchern locken.«
    Nawatzki nickte. »Sollte sich innerhalb kürzester Zeit nichts an der Situation ändern, wird uns nichts anderes übrig bleiben.«
    »Was ist mit Prag?«, fragte von Heiden.
    »Prag?«, meinte Michaelis verblüfft.
    »Das wissen Sie noch nicht«, erklärte Nawatzki. »Fenn hat uns eine Botschaft zukommen lassen. Er will verhandeln, Anfang nächsten Monats in Prag.«
    Michaelis konnte es kaum fassen. »Aber damit wären doch alle Probleme aus dem Weg. Fenn gibt auf. Warum dann überhaupt noch der ganze Aufstand um Carsten Worthmann?«
    Nawatzki schüttelte den Kopf. »Weil wir nicht sicher sein können, was hinter dieser Einladung steckt. Eventuell werden sie versuchen, unseren Leuten eine Falle zu stellen. Das wäre dumm, aber möglich. Oder sie schalten eine dritte Partei für die Verhandlungen ein. Möglicherweise wollen sie auch einfach nur Zeit gewinnen, bis sie uns endgültig entkommen können. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich das Drama von Budapest wiederholt.« Er zog erneut am Mundstück seiner Pfeife. »Deshalb machen wir weiter wie geplant. Und falls es auf diese Weise nicht geht, dann eben auf eine andere. Sollte Worthmann nicht schnellstens weiterkommen, teilen Sie Fenns Leuten mit, dass ihr Schützling Probleme bekommen wird. Es sei denn, sie kooperieren.«
    »Und falls sie nicht darauf reagieren?«, fragte Michaelis.
    Nawatzki zuckte mit den Schultern. »Dann töten Sie ihn eben.«

Kapitel 3
    Die Redaktionskonferenz war noch keine zehn Minuten beendet, als Elisabeth anrief. Carsten seufzte. Erst die Nachricht von Sandras Tod, dann der Mord an Sebastian, schließlich der Verdacht gegen Michaelis; kein Wunder, dass er sie völlig

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