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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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»Montag Dienstag Ergotherapie«, sagte Andy. »Montag Dienstag Mittwoch Krankengymnastik …«
    Wollte er einen Wochentag nennen, musste er sie alle aufzählen, von Montag angefangen. Er ertappte die Wörter nur im Zusammenhang. Immer lag ein Zettel parat, auf den er Zahlen oder Buchstaben als Verständigungshilfe kritzelte. Die Zahlen gingen ihm ganz gut von der Hand, er schrieb mit links, das sah schauderhaft aus, erfüllte aber seinen Zweck. Ganze Wörter gelangen ihm nicht, geschweige denn Sätze.
    »Ich meine, was Sie zu Hause machen.«
    »Haushalt. Langweilig. Fernsehen.« Er machte eine Geste zum Fernsehgerät, als wolle er es abschießen und lächelte. Andy hatte Humor.
    »Unternehmen Sie viel mit Ihrer Frau?«
    »Gina Arbeit.«
    »Ihre Frau geht recht früh zur Arbeit, oder?«
    »Acht.« Er rotierte, kritzelte etwas auf den Zettel und hielt ihn mir hin. 73 stand da.
    »Um 7.30 Uhr?«, fragte ich. Ich würde noch heute Abend hier sitzen. Irgendwie war mir nicht klar, wie ich zum Punkt kommen sollte.
    »Ja. 7.30 Uhr. Aufstehen, Kaffee, Jenny Schule.« Er schaute aus dem Fenster. Es schneite. Nervös trommelten meine Finger auf die Armlehne. Pardon, hatte ich eben über Geduld nachgedacht?
    »Sie sind allein in der Wohnung, bis Jenny nach Hause kommt?«
    Er nickte. Erneut begann er aufzuzählen.
    »Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag U 4.«
    »Sie fahren mit der U 4.«
    »Umsteigen Odeonsplatz U 6.« Seine Strecke zur Sprachtherapeutin hatte er sich eingeprägt. Wahrscheinlich piesackte ihn die gute Frau mit Fragen zu seinem Anfahrtsweg, um ein Gesprächsthema zu haben.
    »Wenn Sie am Vormittag allein zu Hause sind, passiert dann manchmal etwas Außergewöhnliches?«
    »Post.«
    »Rufen Leute an?«
    Er schüttelte den Kopf. Seine Bekannten wussten, dass Andy am Telefon keinen eloquenten Gesprächspartner abgab.
    In der vergangenen Nacht hatte ich mir zusammengereimt, wo der Hase im Pfeffer lag: Entweder gab es etwas in Andys Lebensgeschichte, das nicht ans Licht sollte. Oder Andy hatte durch Zufall etwas gesehen oder gehört, was jemand anderem gefährlich wurde. Pure Spekulation, aber was sonst sollte man von Fönfrisur halten und von dem Komplizen, der meinen Laptop aus dem Unfallwagen gestohlen hatte?
    Wenn meine These stimmte und Andy irgendwelche Informationen besaß, die Bertram Kugler bei mir gesucht hatte, musste ich das herausfinden. Aber ich wollte Andy nicht verunsichern und auf gar keinen Fall zugeben, dass jemand meine Daten geraubt hatte. Das würde einen verdammt unprofessionellen Eindruck machen.
    »Haben Sie in den letzten Wochen etwas Ungewöhnliches gehört oder gesehen?«, fragte ich.
    »Nein?« Es war, als gäbe er die Frage an sich selbst weiter.
    »Haben Sie Besuch von Leuten bekommen, die sich sonst nicht bei Ihnen melden?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Anrufe?«
    »Nein.«
    »War nur so eine Idee«, sagte ich. »Ich arbeite gerne außergewöhnliche Details und persönliche Eindrücke in meine Texte ein. Sie machen die Geschichte lebendiger.«
    Er nickte traurig. Sein linker Arm zitterte. Als wolle der Arm ausschlagen, während Andy ihn mit Gewalt daran hinderte.
    »Haben Sie jemandem außer Ihrer Frau und Ihrer Tochter erzählt, dass Sie mich engagiert haben?«
    Er brauchte eine Weile, bis er dahinterkam, was ich meinte.
    »Warum?«, fragte er und schüttelte heftig den Kopf. »Niemand.«
    Klar. Das Buch, das ich schrieb, war nur für ihn bestimmt. Er bezahlte mich, und er würde entscheiden, ob er das Buch veröffentlichte. Er wollte sein Leben in Händen halten. Nur darum ging es ihm.
    »Auch Ihre Sprachtherapeutin hat keine Ahnung?«
    »Nein!« Jetzt kam Zorn ins Spiel. Eine von Andys Spezialitäten. Sein Durchhaltevermögen war schnell aufgebraucht, wenn ich länger, als es ihm geboten schien, auf einem Punkt herumhackte.
    »Kennen Sie einen Bertram Kugler?«
    Er schaute verblüfft. »Nein.« Wollte etwas hinzufügen, kam nicht auf die Wörter, und ich hatte den Nerv nicht, nachzuhaken oder ihm mit meinen Worten weiterzuhelfen.
    Wir redeten noch eine Weile über Belanglosigkeiten. Über Weihnachten. Er bestellte alle Geschenke im Internet. Jenny hatte ihm gezeigt, wie es ging. Aber weil er Probleme mit dem Lesen hatte, passierte ihm manchmal ein Fehler. Er hatte eine Topfpflanze bestellt und wollte doch einen Schnellkochtopf. Zum Glück konnte er die Bestellung stornieren. Noch wichtiger war, dass er über sein Missgeschick lachen konnte. Andy und seine Frau waren fast

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