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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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Fünftens: Sie war heute Vormittag hier, um Anzeige zu erstatten, immerhin könnte ihr die Versicherung die gestohlenen Unterlagen erstatten. Sie behauptet steif und fest, keine Ersatzdatensicherung zu haben.« Nero hielt inne und legte die Hände neben seine Telefonnotiz.
    »Das glauben wir ihr nicht«, sagte Jassmund schließlich.
    »Nein.« Nero riss sich zusammen. »Dafür wirkt sie zu professionell.«
    »Wenn sie von ihrer Tätigkeit als Ghostwriterin lebt, kann sie sich so einen Lapsus gar nicht leisten. Übrigens: Sie ist eine tolle Frau.«
    Nero räusperte sich. Seit gestern ging ihm Kea Laverde mit den runden Formen und dem dicken, glatten Haar nicht aus dem Sinn. Er dachte an ihre dunklen Augen. Sie standen ein wenig zu weit auseinander und wurden von schön geschwungenen, schwarzen Augenbrauen begrenzt, die an den Außenenden scharfe Winkel bildeten. Kea besaß ein Gesicht, das Männer sich merkten.
    »Sechstens«, fuhr Nero fort, wobei er die Stimme etwas hob, »laut KTU ist Kuglers Zusammenstoß mit dem Betonpfeiler ein Unfall gewesen. Den Wagen haben sie untersucht, nichts weist auf eine Manipulation hin.«
    »Nehmen wir an, dass Kugler nervös war, Gas gab wie ein Verrückter und in all dem Matsch ins Schleudern geriet?«
    »Das stützt die KTU mit ihrer Auswertung der Spuren auf der Auffahrt.«
    »Dumm gelaufen. Sein Komplize wartete an der Straße. Eigenartig, oder? Warum waren die zu zweit bei Laverdes Haus? Mit zwei Autos?« Jassmund öffnete seine Schreibtischschublade und holte eine Packung Elisenlebkuchen hervor. »Die Masche wäre ja nicht neu, sich als Herzensbrecher bei einer Frau in die Wohnung zu schleichen und dort zu klauen und zu rauben. Appetit?«
    Nero schüttelte den Kopf.
    »Eigenartig, was eine Frau wie diese Laverde in einer Abräumerkneipe treibt. Die Kollegen vom Rauschgiftdezernat können Lieder über das Piranha singen. Ein Fangnetz für einsame Seelen. Aber die Drinks müssen wirklich sagenhaft sein! Ich sage dir was«, erklärte Jassmund und biss in einen Lebkuchen. »Der Fall wird nicht von uns weiterbearbeitet. Ein Diebstahl und ein tödlicher Unfall. Keine Fremdeinwirkung. Das ist nichts für uns! Unsere Regale quellen über von Massakern ganz anderer Art. Was ist mit dem Dealer, den sie auf dem Schulhof erschossen haben?«
    Nero rieb sich das Gesicht. Ja, er war froh, aus all dem hier rauszukommen. Er konnte nicht mehr. Mordkommission war interessant für ein paar Jahre, danach funkte die Seele Mayday. All das Irrsinnige, die Verstümmelungen, die Trauer und das Entsetzen waren mehr, als viele seiner Kollegen ertragen konnten. Als hätte er es nicht selbst schon durchlebt, den Augenblick, in dem das Leben wich und man hinweggespült wurde von diesem einen Gedanken: Es kann nicht wahr sein. Nero hasste seinen Job manchmal. Das LKA war die einzige realistische Chance zur Veränderung gewesen. Deswegen hatte er sich dort beworben, ohne große Hoffnungen, immerhin war er in Sachen Internet und Computer Autodidakt. Trotzdem hatten sie ihn genommen.
    »Die schrauben den Deckel über unseren Köpfen zu, Nero«, insistierte Jassmund. »Dealer auf Schulhöfen – das geht der ganzen Stadt nahe und die Presse facht die allgemeine Empörung nur noch an. Und, mit Verlaub: Ich habe auch ein Schulkind, fünfte Klasse. Ich will nicht, dass die Drogenheinis auf den Trichter kommen, in der großen Pause Krieg zu spielen!«
    Ein Stich im Herzen war das, nur ein kleiner. Nero hätte auch gern einen Sohn oder eine Tochter gehabt, einen Menschen, den er lieben konnte. An eine Frau dachte er nicht. Zu kompliziert, zu viele Verletzungen. Nein, er stellte sich manchmal vor, dass er wie Jassmund sein Kind morgens zur Schule fuhr, bevor er den Dienst antrat, und dass sein Vorgesetzter ihn wegen der zeitweiligen Verspätungen genauso runterputzte wie Jassmund. Ich bin erst 42, dachte er. Für einen Mann ist das nicht zu alt.
    Er hatte gestern am späten Abend mit Karl Schöll gesprochen, dem Barkeeper aus dem Piranha, aber nichts erfahren, was ihm weitergeholfen hätte. Der Mann war ihm unsympathisch. Das hatte nichts damit zu tun, dass er schwul war. Nero hatte schwule Freunde, er hielt sich von Vorverurteilungen fern, obwohl man ihm nachsagte, altmodisch zu sein. Aber an diesem Schöll hatte ihm nicht gefallen, wie aalglatt er ihn abgefertigt hatte.
    »Kugler hat in einem kleinen Malerbetrieb in Feldmoching gearbeitet«, sagte Nero und blätterte in seinem Notizbuch. »Seit einem guten Jahr war

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