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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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er dort beschäftigt, nachdem er mit seinem eigenen Betrieb pleite gegangen war. Ein Umzugsunternehmen war das. Er hat im Frühsommer 2006 Insolvenz angemeldet.«
    Sie brüteten eine Weile vor sich hin.
    »Suchst du dir eine Wohnung in München?«, wechselte Jassmund das Thema.
    »Ich habe schon eine in Aussicht. Nordendstraße. Mitten in Schwabing.«
    Jassmund lachte.
    »Habe ich mir gedacht, dass es dich dorthin zieht.«
    »Das lief über eine Maklerin. Halbwegs bezahlbar. Und es ist nahe an meinem neuen Arbeitsplatz.« Nero stand auf und trat an Jassmunds Schreibtisch. »Mensch, Peter, mir geht der Arsch auf Grundeis.«
    »Wäre bei mir nicht anders.« Jassmund stand ebenfalls auf. Er legte Nero die Hände auf die Schultern. »Bei Philipp und mir bist du jederzeit willkommen, das weißt du. Wenn du Lust hast, schau heute Abend vorbei. Philipp wünscht sich zu Weihnachten einen neuen Computer. Vielleicht könntest du mich beraten. Du weißt ja, ich verstehe nichts davon.«
    Nero nickte. Das Telefon schrillte. Er ging dran, notierte, fragte nach. »Danke«, sagte er. »Sehr hilfreich, euer Hinweis.«
    »Sag schon!«, verlangte Jassmund.
    »In Kuglers Blut haben die Rechtsmediziner Reste von Clobazam gefunden. Das ist ein Bestandteil von Medikamenten gegen akute und chronische Angstzustände. Kugler muss sich richtig mit dem Mittel zugedröhnt haben. Typischerweise verlangsamt Clobazam die Reaktionszeit im Straßenverkehr. Manche Patienten bekommen auch paradoxe Nebenwirkungen, Angstzustände, Muskelspasmen, akute Reizbarkeit.«
    »Das ist saublöd«, erwiderte Jassmund. »Ein Mittel gegen Angst, das Angst macht?«
    Nero schwieg. Er hatte selber einmal an Angstzuständen gelitten, sich aber ohne Medikamente zu helfen gewusst. Neben einem einfühlsamen Therapeuten hatte vor allem Jassmund bei seiner Heilung eine wichtige Rolle gespielt; Nero wusste, dass Jassmund exakt in diesem Augenblick daran dachte.
    »Es könnte sein, dass Kugler nicht die Gewalt über seinen Wagen hatte«, sagte Jassmund. »Als er auf Laverdes Auffahrt ins Schleudern kam, reagierte er zu heftig, riss das Steuer herum und raste gegen den Pfeiler. Überhaupt, gruselig dieses Haus da draußen am toten Ende. Man könnte meinen, da wohnt gar keiner.«
    Nero malte Kreise auf seinen Notizzettel. »Also haben wir keine Fremdeinwirkung. Keinen Mord, keinen Totschlag, sondern einen Unfall mit Todesfolge.«
    »Womit wir die Angelegenheit weiterleiten!« Jassmund klang richtig erleichtert, während er sich seinem Computer zuwandte und mit seinen beiden kräftigen Zeigefingern auf die Tastatur einzuschlagen begann. Nero sah ihm dabei zu.
    »Kea Laverde hat eine Reservespeicherung«, sagte er schließlich mehr zu sich selbst als zu Jassmund. »Es kann gar nicht anders sein. Und die Lüge macht sie interessant.«

11.
    Nach meiner Stippvisite bei der Bullerei parkte ich meinen Alfa am Fürstenfeldbrucker Bahnhof. Ich hatte keinen Nerv, mir meinen Weg in das Montagschaos der bayerischen Metropole über Schneematsch und Glatteis zu bahnen. Immerhin machte der MVV penetrant dafür Werbung, wie pünktlich und entspannt man mit öffentlichen Verkehrsmitteln ans Ziel kam. Ich schauderte beim Anblick der Münzen, die im Schlund des Ticketautomaten verschwanden. Auf dem Bahnsteig war es eiskalt. Der Wind pfiff über die Gleise und schleuderte Schneeflocken in mein Gesicht. Ich schlug meinen Jackenkragen hoch und war froh über das Lammfellfutter. Mein Aufzug aus kurzem Rock und ebenso kurzem Pulli war trotz der dicken Strumpfhose nicht das Wahre für einen Wintertag wie diesen. Ich dachte kurz an Nero Keller. An diese traurigen Torfaugen. Er musste ein Pedant sein, seine Hälfte des Büros war – im Gegensatz zu der seines Jumbo-Kollegen – penibel aufgeräumt. Da haftete nicht ein Zettel am Bildschirm seines Computers, da lag nichts rum, keine Büroklammer hatte ein Überlebensrecht, wenn nicht in der dazugehörigen Schatulle.
    Als die überheizte S-Bahn Richtung München ratterte, fiel mir auf, wie friedlich das flache Land unter seinem weißen Flaum aussah. Krähenschwärme zogen über die toten Felder. Der Wind zeichnete sanfte Wellen in den Schnee. Unter dem Schneetuch – beschirmt von weißer Kälte – wartet der Frühling. Ich kritzelte mein Spontan-Haiku in mein Notizbuch. Dann machte ich mir eine Liste, wer Weihnachtsgeschenke von mir bekommen sollte. Juliane hielt nichts von Weihnachten, da sie Atheistin war und als Sozialistin die kapitalistische

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