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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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wollte Ihnen nur mitteilen, dass die Mordkommission die Akte Laverde schließt. Der Unfall war einfach ein Unfall.«
    Ich konnte plötzlich nicht mehr atmen. War der Wagen weitergefahren? Der, der aus Ohlkirchen kam? Oder wo war der jetzt? Ich hörte leises Schnattern am Gänsefreilauf. Tappte zum Fenster und starrte in die Dunkelheit hinaus. Alles lag tiefschwarz da wie das All.
    »Frau Laverde?«, hörte ich den KHK fragen.
    »Ich …« Ich musste schlucken. Meine Stimme gehorchte nicht mehr.
    »Ist etwas nicht in Ordnung? Frau Laverde?«
    »Nein«, flüsterte ich heiser. »Jemand hat vor ein paar Minuten einen Stein in meine Küche geschmissen. Es hängt ein Zettel dran. Ich soll den Auftrag zurückgeben.« Es war Bockmist, was ich hier tat. Nun würde Keller keine Ruhe geben, bis ich Andy preisgab.
    »Sind Sie allein?«
    »Ja. Ich weiß nicht, ob der … der Angreifer noch hier ist.« Ich war mir plötzlich sicher. Er stand irgendwo da draußen in der Nacht und wartete. Weidete sich an meiner Panik. Wie durch Watte hörte ich Keller sagen: »Bringen Sie sich irgendwo in Sicherheit. Schließen Sie sich ein. Nehmen Sie das Telefon mit. Ich komme.«
    Er sagte noch einige andere Sachen, aber die klaren Anweisungen lockerten meine Erstarrung. Ich schaltete die Mikrowelle aus und ging ins Bad. Tastete mich durch das dunkle Schlafzimmer, die Ohren auf Empfang. Niemand war hier. Niemand war in diesem Haus außer mir selbst.
    Im Bad schloss ich hinter mir zu und stellte mich ans Fenster. Die Jalousien waren nicht heruntergelassen. Von hier hatte ich meinen Eingang im Blick.
    Zaghaft kippte ich das Fenster, Millimeter um Millimeter. Wenn ich mich auf meine Augen nicht verlassen konnte, so wenigstens auf meine Ohren. Die kalte Luft fuhr durch mein Haar. Mein Herz schlug heftig. Jetzt wäre der berühmte Mann in meinem Leben gefragt. Der, auf den ich mich verlassen konnte. Carlo. Ich sollte im Piranha anrufen. Bestimmt war er schon dort, obwohl der Betrieb im Club erst später losging. Ich wollte seine Nummer tippen, aber meine Finger zitterten so heftig, dass ich nie die richtigen Tasten erwischen würde. Ich könnte nur Wiederwahl drücken, das war die letzte Taste rechts unten, aber dann hätte ich den Kommissar an der Strippe, und was sollte ich dem sagen? Dass ich mir vor Angst fast in die Hose machte? In dem Sinne war es klug, dass ich mich im Bad eingeschlossen hatte.
    Das Telefon in meiner Hand schrillte, ich machte einen Satz vor Schreck. Stieß mit der Hüfte gegen das Waschbecken. Mit der Hüfte. Es tat nicht mehr weh, als wenn es die andere gewesen wäre, aber es beschwor Ungeheuer herauf, die ihre rotglühenden Finger in mein Herz bohrten.
    »Hallo?«, flüsterte ich.
    »Frau Laverde? Hier ist Keller. Was tut sich?«
    »Ich … nichts.« Ich holte tief Luft. »Ich bin sicher, dass der Angreifer noch hier ist. Ich habe den Wagen nicht wegfahren hören.«
    Aber es stimmte nicht. Der Angreifer war abgedampft, es war ein zweiter Wagen gekommen, der vorbeifuhr, und schließlich einer, den ich nur kommen, aber nicht weiterfahren hörte.
    »Ich bin sofort bei Ihnen. «
    Wie tröstlich. Denn jetzt hörte ich ein Knacken aus dem Schlafzimmer. Als schliche jemand über die Dielen, die ich im Sommer mit so viel Herzblut abgeschliffen und geölt hatte. Ich hockte in meinem Bad in der Falle. Seit meiner Kindheit litt ich an Klaustrophobie. Jede Sekunde, die verstrich, heizte die Panik an. Ich musste hier raus.
    Im Schein des Displays meines Telefons musterte ich mein Gesicht im Spiegel. Es sollte nicht schaden, ein klein wenig Lippenstift aufzutragen. Ich musste verrückt sein. Da draußen lauerte ein Meuchelmörder, Brandschatzer oder Vergewaltiger, aber ich wollte dem Kommissar nicht ungeschminkt unter die torfbraunen Augen treten. Wenn schon 80 Kilo, dann wenigstens bunte.
    Wieder hörte ich ein Ächzen. Es konnte niemand im Haus sein. In der zunehmenden Kälte hatten nur die Dielen geknarrt. Was sich in meine Ohren drängte, war das rasende Klopfen meines Herzens, Stakkato, Crescendo, Rinforzando.
    Ich atmete tief durch. Den Körper beruhigen, lauschen, nachdenken. Das Telefon behielt ich in der Faust, den Daumen über der Wiederwahltaste. Sollte Keller wenigstens meine letzten Atemzüge hören, wenn der Gangster mich niederschlug. Sollte der Schuss ihm in den Ohren hallen, wenn der Revolver auf meine Brust gesetzt wurde. Wieder knarzten die Dielen im Schlafzimmer. Holz lebte eben, wie mir mein kluger Bruder erklärt

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