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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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Stimme klang ungeduldig. »Ich hab’s mir angeschaut, ist perfekt abgedichtet. Du wirst ein bisschen mehr heizen müssen, aber einsteigen wird da bestimmt keiner. In der Einsamkeit da draußen …«
    In der Einsamkeit da draußen … Ich sah auf die Uhr. Halb elf nachts. Ich könnte sterben vor Kälte und Müdigkeit. Ein heißes Bad, eine Wärmflasche und ein gutes Buch waren meine einzigen Wünsche.
    »Also morgen am späten Nachmittag«, bestätigte ich. Arbeiteten Handwerker überhaupt am späten Nachmittag?
    »Bist du noch in München?«
    »Ja. Ich …«
    »Ich muss Schluss machen, Kea! Viel los, heute.«
    Im Piranha flog jeden Abend die Kuh. Der Club lag im Trend, der Rubel rollte, und die einschlägige Presse überschlug sich vor Begeisterung. Dass ein Lokal in einem Kaff wie Ohlkirchen überhaupt zu Berühmtheit kam, war schon Sensation genug.
    Ich wartete weiter. Meine Nase fror ein, und winzige Tropfen suchten sich ihren Weg auf meine Oberlippe. Ich schob die Hände unter meinen Hintern. Alle 20 Minuten leistete ich mir für fünf Minuten Heizung. Ich würde tanken müssen, um nach Hause zu kommen. Es hörte auf zu schneien.
    Kurz vor Mitternacht verließ die junge Frau das Haus. Sie ging schnell, wie jemand, der es eilig hatte, nach Hause zu kommen. Wie jemand, der von der Arbeit kam. Ich schulterte meine Tasche, kletterte auf den Gehsteig und folgte ihr.
    Sie stöckelte zur U-Bahn-Station und hastete die Rolltreppen hinunter. Ich hörte die Bahn einfahren und rannte. Beinahe rempelte ich sie an, als ich in den Zug Richtung Olympiazentrum einstieg. An den Fenstern flitzten gut gemeinte Bilder von Tigern, Löwen, Zebras vorbei. Damit auch jeder mitkriegte, dass man hier ausstieg, um zum Zoo zu kommen.
    Die Lady und ich saßen im selben Wagen und schaukelten durch die Finsternis. Ziemlich lange. Leute kamen und gingen, aber die Frau blieb sitzen. Verstohlen musterte ich ihr zartes, überschminktes Gesicht. Sie schlüpfte aus ihren Pumps und zog die Füße unter den Po. Auch mir war kalt. Am Odeonsplatz stiegen zwei Typen zu, die sich provozierend umschauten, um durch das ängstliche Weggucken weiblicher Fahrgäste ihre Männlichkeit bestätigt zu bekommen. Ich kramte in meiner Tasche, zog ein Notizbuch heraus und begann zu schreiben. Nur, um etwas zu tun zu haben. Eine Frau, die in ein Notizbuch schreibt, kommt nicht so leicht in Versuchung, Panik zu schieben. Man würde sich ein Opfer suchen, das unsicher umherblickte.
    Zwei Stationen weiter stiegen wir aus. Ich folgte der Frau mit einer Selbstverständlichkeit, die mich selbst überraschte. Als sie in die Ungererstraße abbog, wechselte ich die Straßenseite. Dennoch fiel es mir leicht, am Zielobjekt zu bleiben, und ein paar Minuten später stand ich vor einer Haustür in der Marschallstraße. Sie führte ins Innere eines quadratischen Betonbaus, vor dessen Balkons vom ersten bis zum fünften Stock Netze gespannt waren. Mich gruselte. Ich notierte mir die Adresse.
    »And now, Laverde?«, murmelte ich. Bis zur Hohenzollernstraße war es nicht weit. Keine zehn Pferde würden mich heute Abend noch einmal in die U-Bahn kriegen.

26.
    Rabea war noch wach und streckte erstaunt ihren kurzen braunen Haarschopf aus ihrem Zimmer, als ich die Wohnungstür aufschloss.
    »Kea? Bist du das?«
    »Der Nikolaus.«
    »Scherzkeks. Magst du ein Glas Wein?«
    Ich kickte meine durchnässten Stiefel weg, stellte sie sorgsam auf einen Scheuerlappen neben der Garderobe und stelzte auf Socken in Rabeas Zimmer.
    »Ich fange morgen erst nachmittags an zu arbeiten.« Rabea goss mir Wein in einen bauchigen Kelch. Neugierig warf sie einen Blick auf meine Tasche.
    »Hatte in München zu tun.« Ich stellte die Tasche ab. »Saukalt ist es.«
    »Ich bin total gestresst«, seufzte Rabea, während sie einen Schluck Wein trank. Ihre Wangen glänzten rot. Ich probierte ebenfalls. Mein Körper begann aufzutauen. Ich gab mir Mühe, höflich zu sein und Rabea zuzuhören. Sie arbeitete in einem Projekt der Stadt München, in dem kriminelle Jugendliche betreut wurden, und litt an der miserablen Erfolgsquote.
    »Du glaubst gar nicht, was die alle auf dem Kerbholz haben. Bei einem«, sie zögerte, als ob sie mir den Namen nennen wollte, tat es aber nicht, »kommt jede Woche eine neue Straftat hinzu. Raub, schwerer Raub, räuberische Erpressung, ich weiß nicht, was noch. Und das, während er an unserem Projekt teilnimmt. Das Geld könnte die Stadt anderswo anlegen!«
    »Du lieber Himmel, wenn du

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