Schweigfeinstill
Herr mit dem Handy sitzt. Später haben sie getanzt und kamen zwischendurch hier an die Bar. Ich habe ein Auge auf ihre Taschen, wenn sie tanzen.«
»Und am Schluss? Als alle anderen Gäste schon weg waren? Wo saßen die Frauen da?«
»Hier. An der Bar.«
Nero bemerkte das Zwinkern, als Carlo sich bückte, die Sahne in den Kühlschrank stellte und den nächsten Drink mixte.
»Und Bertram Kugler?«
»Einen Greek Tiger, einen Champagne Blues, einen Prince of Wales für unser Damenkleeblatt!«, rief der Kellner.
»Kugler ging früher. Er trank einen Pisco Sour und danach nur alkfreies Bier. Das habe ich alles schon …«
»Was ist Pisco?«
»Ein chilenischer Drink. Enthält Alkohol.«
»Wann ging er?«
»Kugler?«
Nachfragen sind ein Zeichen für Nervosität, dachte Nero und spürte, wie seine Handflächen feucht wurden.
»So gegen zwei.«
»Können Sie sich das erklären? Ein Mann, der anderthalb Stunden vor Frau Laverde das Lokal verlässt, später aber als angeblicher One-night-stand bei ihr aufkreuzt?«
Carlo hantierte mit einer Flasche Curaçao blue. »Was soll ich da erklären? Ich habe keine Ahnung, Mann.«
Noch hat er sich unter Kontrolle, dachte Nero. Er knobelte an der Frage, warum Kugler die Unterlagen aus Keas Arbeitszimmer nicht gleich in der Nacht gestohlen und sich aus dem Staub gemacht hatte. Weshalb hatte er bis zum Morgen gewartet? War da doch etwas zwischen den beiden gelaufen?
»Sind die Damen Stammgäste?« Der Kommissar wies mit dem Kinn zu den drei Frauen.
»Ja. Aber am Samstag waren sie nicht hier. Sie haben ihren Abend mittwochs. Omas und Männer passen auf die Kinder auf, damit sie mal rauskommen.«
»Sie wissen eine Menge über Ihre Gäste, oder?«
Carlo erwiderte nichts.
»Ich meine, in meinem Beruf beobachtet man. Man kann gar nicht anders. Ich denke, das ist in Ihrer Branche nicht anders?«, insistierte Nero.
»Von mir wird Diskretion verlangt.«
Teufel auch, wie oft Nero in letzter Zeit dieses Wort gehört hatte! Von Kea, von diesem armseligen Barkeeper, sogar von Albert, als sie über den Kaufvertrag für die Wohnung gesprochen hatten. Als wäre Kommunikation etwas Anrüchiges. Nero trank von seiner Virgin Mary. Nicht schlecht, aber Mixturen konnte er nichts abgewinnen. Weder in der Musik noch bei Getränken.
»Dennoch beobachten Sie. Wie kam Ihnen Bertram Kugler an jenem Abend vor?«
Carlo verdrehte die Augen und postierte eine Sektflöte auf einem Tablett. »Ich habe ihn am Samstagabend zum ersten Mal gesehen. Wie soll ich da wissen, was mit ihm los war?« Er schnitt eine Orangenscheibe zurecht. »Samstags ist hier der Bär los. Da habe ich keine Zeit, psychologische Betrachtungen anzustellen.«
»Dennoch möchte ich wissen, ob Ihnen an Kugler etwas auffiel.«
»Nein. Er war allein.« Carlos Antwort kam schnell.
»Das also wissen Sie!« Sieh an, dachte Nero. Was sagt mir das?
»Er kam allein, wie Sie, recht früh, hockte sich hier an die Bar und bestellte seinen Pisco.«
»Wenn er also an der Bar saß, und früh kam, so wie ich, wenn er noch dazu alleine an der Bar an seinem Drink nippte, dann,« Nero sah Carlo direkt in die Augen, »haben Sie beide sich bestimmt prächtig unterhalten.
»Nicht jeder ist so impertinent wie Sie.« Carlo machte dem Kellner ein Zeichen, worauf dieser drei perfekte Cocktails am Damentisch servieren ging. »Wer ins Piranha kommt, will Leute kennenlernen. Da wird unverbindlich geschnackt. Worauf wollen Sie denn hinaus?«
Wieder eine Nachfrage, wieder einen Strich auf der Unsicherheitsskala geschafft, dachte Nero zufrieden.
»War Kugler nervös? Entspannt? Gereizt? Im Urlaub? Unter Strom? Bekam er Anrufe oder telefonierte er mit jemandem?«
»Er rief ein paar Leute an. Glauben Sie mir: Ich habe nicht mitgehört, und selbst wenn ich Fetzen von Telefonaten mitkriege – ich merke mir nicht, worüber die Leute sprechen.«
»Nein. Das Gedächtnis filtert mit Perfektion«, sagte Nero. »Aber Ungewöhnliches behält es. Sachen, die nicht ins Schema passen, denn die bewertet das Gehirn als interessant.«
Carlo fuhr mit einem strahlend weißen Handtuch über den Tresen. »Ich – habe – nichts – mitgekriegt.«
Nero dachte an die Beschreibung aus der Rechtsmedizin über paradoxe Nebenwirkungen von Clobazam und sagte: »Kugler war reizbar. Ungeduldig. Unfreundlich.«
Carlo antwortete nicht.
»Hinterließ kein großzügiges Trinkgeld. Eigentlich ein Grund, ihn anzuschwärzen.«
Der Kellner dimmte das Licht und legte eine neue CD
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