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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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auf. Schmissige Rhythmen, fand Nero. Wirklich, irgendwie karibisch. Wie man es sich vorstellte. Und sie taten ihre Wirkung: Die Gäste begannen lauter zu lachen und zu sprechen. Ihre Gestik veränderte sich, wurde lebendiger, die Münder verzogen sich ein wenig breiter, und sie zeigten mehr Zähne. Irgendetwas passierte mit diesem Raum. Er vibrierte. Wie eine Schaukel, nein, wie ein Schiff, dachte Nero, das die Leinen losgemacht hat und von den Lotsenbooten aus dem Hafenbecken geschleppt wird. Bald, ganz bald würden sie auf dem offenen Meer treiben, das Rollen der Dünung spüren. Gleich an mehreren Tischen winkte man dem Kellner.
    »Kugler stand unter dem Einfluss von Medikamenten«, sagte Nero halblaut. Der Barkeeper musste sich vorbeugen, um ihn im Strudel der Musik zu hören.
    »Mann, ich weiß, dass ab und zu Ihre Kollegen vom Rauschgiftdezernat hier ihre Nase reinstecken. Die glauben, man erkennt sie nicht. Sie gehen aufs Klo und schauen sich um. Bleiben ein paar Stunden. Gehen heim und verbreiten Gerüchte.« Carlo betätigte die Kaffeemaschine.
    Nero wartete. Zermürbung brauchte Zeit, und er hatte ja Zeit. Er hing zwischen zwei Jobs. Als er daran dachte, lächelte er. Dem Barkeeper gefiel das nicht.
    »Der Typ hat nichts geschluckt oder in sein Glas getan oder so«, sagte Carlo. »Zumindest habe ich nichts gesehen. Warum starten Sie nicht einen Aufruf in der Zeitung, in dem Sie die Gäste vom Samstag bitten, sich bei Ihnen zu melden? Sie brauchen doch Zeugen.«
    »Da genügen Sie mir.«
    Carlo stand die Wut im Gesicht. Und noch etwas Subtileres. Die kleine Schwester Angst stellte sich neben ihren großen Bruder Zorn. Schüchtern strich sie sich das Haar hinters Ohr. Plötzlich konnte Nero in Carlos Gesicht lesen wie in einem alten Foto. Gleichzeitig erschienen vor seinem geistigen Auge zwei Männer, die im Piranha an der Theke saßen, alkoholfreies Bier tranken und eine Frau beobachteten. Eine Frau, die sie nicht kannten. Zwei Männer, denen beim Anblick von Carlos Cocktails und der weiblichen Gäste das Wasser im Mund zusammenlief und die sich vornahmen, später herzukommen, wenn sie so viel trinken konnten, wie sie wollten.
    »Da war noch ein zweiter Mann«, sagte Nero.
    »…«
    »Kugler und der andere kannten keinen im Piranha. Sie kamen nicht aus der Gegend.«
    »Wir haben viele Gäste, die …«
    »Träumst du, Carlo? Zwei Scotch!«, rief der Kellner.
    »Warten Sie.« Nero hielt ihn am Ärmel fest. »Wir müssen miteinander reden.«
    »Lassen Sie ihn.« Carlo goss zwei Whiskeygläser voll und übergab sie dem Kellner, der mit unsicherem Gesicht davonging. »Lassen Sie Martin da raus.«
    Nero wartete. Die Selleriestange in seinem Glas sank in sich zusammen. Er pflückte sie raus und legte sie auf die blitzblanke Theke. Sie standen am Wendepunkt des Gesprächs.
    »Da war ein Typ, mit dem er etwas länger sprach. Der hockte neben ihm hier an der Bar. Später setzten sich die beiden an einen Tisch. Sie gingen aber nicht gemeinsam weg. Der zweite Mann blieb, als Kugler abdampfte. Und er zahlte die Rechnung für beide.«
    »Der andere zahlte, nicht Kugler?«
    »Genau. Er ging ungefähr eine Stunde später.«
    »Welcher Tisch?«
    Carlo zeigte auf den letzten Tisch am hinteren Ende des Lokals. Einen halben Meter weiter gab es eine Tür mit der Aufschrift ›Privat‹. Jetzt formierte sich das Bild. Nero sah zwei Männer an diesem Tisch sitzen, mit einsatzbereiten Handys. Beide beobachteten Kea Laverde. Sie handelten nach einem durchdachten Plan. Kugler ging früher. Der andere blieb, um Kugler telefonisch zu verständigen, wenn Kea aufbrach. Kein Spaß für Kugler, bei der Kälte in einem Auto zu warten. Aber machbar. Für Geld zumal. Wer bezahlte die beiden? Wer finanzierte die durchwachte Nacht und einen langweiligen Abend in einer verruchten Dorfkneipe, in der zwei Männer mehr Spaß hätten haben können? Warum hatte Karl Schöll den ganzen Abend gemauert? Warum hatte er den zweiten Mann geleugnet?
    Es gibt nur eine Antwort, dachte Nero und richtete seinen Blick auf den Barkeeper. Der schnitt eine Zitrone in Scheiben. Seine Finger zitterten. Es gab nur eine Antwort, und die lautete, dass dieser Barkeeper sehr viel mehr wusste, als er sagte. Die Leute dachten immer, wenn sie nur schwiegen, würden sie der Polizei jegliche Information vorenthalten und sich aus allem raushalten. Aber das stimmte nicht. Das Schweigen konnte beredter sein als ein Wortschwall.
    »Was glauben Sie, warum hat Kugler den Liebhaber

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