Schweigfeinstill
durch die Türen und drückte auf ›3‹.
»… den Mord?« Der Kollege blieb in einer Traube obdachloser Reisender stecken, die zum Shuttlebus vor der Tür drängten.
In meinem Zimmer schaltete ich den Fernseher an und zappte herum, bis ich zum Bayerischen Fernsehen kam. Die Rundschau würde erst später anfangen, aber ich war sicher, sie würden etwas bringen. Geistig verwirrt. Stumm. Himmel, wenn das Andy war. Er war außer sich gewesen vor Zorn. Verdammt, Andy war nicht stumm! Andy war Aphasiker, er konnte nicht sprechen, aber er war geistig nicht weggetreten, sondern mindestens so klar im Kopf wie ich. Andy war kein Mörder, ich kannte ihn, ich wusste um seine innere Zerrissenheit, aber er war kein …
Ich musste telefonieren, Keller anrufen. Aber warum die Pferde scheu machen. Vielleicht war es nicht Andy, den sie neben der Leiche eines anderen aufgegriffen hatten. Es liefen eine Menge Verrückte da draußen herum. Durstig angelte ich mir ein Bier aus der Minibar und trank ein paar Schlucke direkt aus der Flasche.
Nur leider passte alles zusammen. Der Zeitpunkt, später Vormittag. Andy war wütend aus dem Haus gestürmt. Er war nicht Herr seiner Sinne, enttäuscht, weil ich auf seine Bitte, mit Jenny zu sprechen, nicht eingegangen war. Verzweifelt, weil er selbst nicht mit ihr reden konnte. Genervt von Gina, deren Untreue ihn zur Weißglut brachte. Seine Aggressivität, die plötzlichen Wutausbrüche konnte ich nicht leugnen. Ich tippte auf der Fernbedienung herum und suchte den Videotext. Keine Silbe über einen Mord in München. Ich trank das Bier aus. Vielleicht konnte ich meinen Laptop hier ans Internet kabeln und über das Modem …
Mein Handy klingelte. Ich riss es an mich und drückte die grüne Taste so schnell, dass ich erst Atem holen musste, um meinen Namen zu sagen.
»Frau Laverde, sind Sie das?«
Keller. Ich stellte den TV-Ton ab und hockte mich aufs Bett.
45.
»Was hat sie gesagt?«, erkundigte sich Jassmund und warf eine Handvoll Erdnüsse in seinen Mund.
»Sie wusste es schon aus dem Radio.«
Peter Jassmund und Nero Keller schwiegen. Der dritte Mann im Raum, Hauptkommissar Richard Sutter vom Polizeipräsidium München, hob sein Weißbierglas. »Eure Frau Laverde hat eine ziemlich informative Webseite, schon gesehen?«
Jassmund schüttelte den Kopf und klaubte mehr Nüsse aus dem Schälchen. Nero regte sich nicht. Er mochte Sutter mit seiner blonden Haarmähne und dem züngelnden Ehrgeiz nicht besonders. Jassmund hatte ihn eingeladen. Die beiden kannten sich aus dem Chor. Nero fand es in seiner eigenen Wohnung zwischen all den gepackten Kartons nicht sonderlich gemütlich und hatte sich breitschlagen lassen, bei Jassmund auf ein Bier vorbeizuschauen. Nun arbeiteten seine grauen Zellen auf Hochtouren. Dass Kea Laverdes Name immer wieder auftauchte, ließ sich nicht auf das Konto des Zufalls verbuchen. Der Name des Mannes, den sie aufgegriffen hatten, lautete Andy Steinfelder, und der hatte Kea auf ihrem Handy angerufen, gestern Abend. Sie hatte behauptet, es sei ein Exkollege. Sie war so erschrocken, als er sie vor ein paar Minuten angerufen hatte, dass er zwei und zwei zusammenzählte. Andy Steinfelder. Steinfelder, verdammt. Albert Ramsmeier hatte ihm die Wohnung in der Nordendstraße über das Immobilienbüro Steinfelder besorgt. So häufig würde der Name nicht sein. Er musste nachforschen.
»Sie beschreibt ihren Werdegang, ihre Berufserfahrungen und ihr Angebot als Ghostwriterin. Alles sehr sachlich und höchst professionell.« Sutter legte ein paar Ausdrucke auf den Tisch. »Studium der Anglistik und Journalistik, etliche Praktika und Volontariate beim Hörfunk, bei Zeitungen, Zeitschriften und bei Agence France Presse. Einige Jahre arbeitete sie als Reporterin für bekannte Magazine. Die Titel der Bücher, die sie geghostet hat, nennt sie nicht, aber es muss eine erkleckliche Anzahl sein. Ihre Spezialität sind Ratgeber.«
Das wusste Nero. Er nahm einen Schluck Weißbier und griff nach der Erdnuss-Schale.
»Die Laverde ist ein unbeschriebenes Blatt«, sagte Jassmund gerade. »Wir haben sie überprüft. Keinerlei Vorstrafen. Finanziell auch alles sauber, zahlt brav ihre Steuern.«
Nero Keller öffnete den Mund: »Der Mann, den ihr aufgegriffen habt, ist Aphasiker, Richard. Er hatte einen Schlaganfall. Sein Sprachzentrum ist gelähmt. Er ist nicht geisteskrank oder retardiert. Außerdem ist sein rechter Arm funktionsunfähig.«
»Das haben wir auch schon herausgefunden.
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