Schweigfeinstill
engagierte, aber eine, die nachdachte. Gebildet, ohne sich mit ihrem Kenntnisstand zufriedenzugeben.
Sutter zog eine Grimasse. »Was soll da schon klar sein! Wir haben keine Tatwaffe, Kollegen. Ein Mann mit einem gelähmten rechten Arm als Mörder? Ich weiß nicht. Weißt du was, Nero? Wir haben schon einen Anruf vom LKA bekommen. Dort ist Lehr durchaus ein Name. Interessiert dich das?«
Arschgesicht, dachte Nero, aber er nickte.
»Pornos«, sagte Sutter. »Harte Pornos. Dafür haben sie ihn im Blick. Die kriegen den Fall rübergeschoben. Das ist doch für dich bald ein Heimspiel? Spätestens morgen werden deine zukünftigen Kollegen dieser Frau Laverde einen Besuch abstatten. Sie war kurz vor der Tat noch bei Steinfelder. Kannte sie Lehr und hätte sie vielleicht ein Motiv?« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Ich muss los. Hoffentlich arbeitet der Schneepflug so, wie er soll. Macht’s gut. Danke für das Bier, Peter.«
»Ich begleite dich zur Tür«, sagte Jassmund und stemmte sich vom Sofa hoch.
Dankbar, dass sein Kollege ihm ein paar Minuten gab, um sich zu sammeln, trat Nero ans Fenster und starrte in die Nacht. Jassmunds Balkon lag unter einer dicken Schneeschicht. Es schneite immer noch. Im Haus gegenüber blitzten in schnellem Rhythmus Lichterketten auf. Hinter dem Vorhang aus Schneeflocken wirkten sie sehr weit weg. Einladend wie ein Puff, dachte Nero und riss seinen Blick von einem aufdringlich pulsierenden roten Stern los. In Jassmunds Wohnung gab es keinen Weihnachtsschmuck. Er ist noch nicht dazu gekommen, die Wohnung zu dekorieren, überlegte Nero. Ich habe Urlaub, einen Ersatz für mich haben sie ihm noch nicht ins Büro gesetzt, die ganze Arbeit hängt an ihm. Nero fühlte sich ausgeblutet. Er rutschte ab, fand nirgends Halt.
»Also«, sagte Jassmund, als er ins Zimmer zurückkam. »Wo steckt Kea Laverde jetzt?«
Nero fuhr zusammen. Jassmund war auf seinen Wollsocken so leise hereingetappt, dass er ihn nicht gehört hatte. »Zum Kuckuck, was ist los, Nero!«
»In Rosenheim. Sie ist eingeschneit.«
Jassmund bellte vor Lachen. »Na, prima.«
»Warum hast du diesen Emporkömmling zum Bier eingeladen?«
»Er war bei uns in der Polizeidirektion. Frag mich nicht, was er da zu tun hatte, aber man munkelt … naja, seit dein Weggang bekannt ist, tanzt der Quirl durch die Gerüchteküche.«
Nero wandte sich ab. Jassmund war keiner, der sich anbiederte, aber er neigte zu Ängstlichkeit, wenn Hierarchien in Bewegung kamen. Der interne Polizeiapparat trieb wie ein Eisberg durch bedrohliche Gewässer, tückisch, unberechenbar. Man ging besser vorsichtig mit seinen Protagonisten um.
»Nero, wenn die Laverde …«
»Warte!« Nero hob die Hand. »Warte!«
»Nicht so laut, Philipp schläft schon.«
»Entschuldige. Johannes Lehr, das Mordopfer aus Bogenhausen, ist ein Kumpel von Bertram Kugler.« Nero beobachtete, wie es in Jassmunds Kopf arbeitete.
»Du meinst …«
»Kugler stiehlt Laverdes Unterlagen«, sagte Nero. »Ein zweiter Mann nimmt sie aus dem Unfallwagen, wenige Minuten später. Nehmen wir an, das war Lehr.«
»Kannst du gerne annehmen, aber dafür gibt es nicht den geringsten Beweis.«
»Koch, Kuglers Chef, sagt, Kugler habe mit keinem sonst Kontakt gehabt.«
»Weiß ein Chef, mit wem seine Untergebenen Kontakt haben?«
»Nur als Arbeitshypothese, Peter!«
»Na gut. Weiter.«
»Wenn Lehr also Laverdes Unterlagen an sich nahm, wenn Lehr vielleicht sogar an der Planung des Unterlagenklaus bei Laverde beteiligt war, was sagt uns das in Verbindung mit den Pornovorwürfen gegen Lehr, die Sutter angesprochen hat?« Nero spürte den zweifelnden Blick seines Freundes auf sich.
Jassmund kramte eine neue Tüte Erdnüsse aus dem Schrank und riss sie auf. Ein paar fielen auf den Teppich. Er schüttelte den Inhalt der Tüte in die Schale. »Kea Laverde schreibt die Lebensgeschichte von Andy Steinfelder auf. Andy Steinfelder bringt Johannes Lehr um.«
»Hat er nicht. Konnte er rein körperlich nicht.«
»Wir wissen doch viel zu wenig, Nero! Vielleicht finden sie die Tatwaffe, sobald der Schnee weg ist, dann sieht die Sache schon anders aus. Vielleicht kriegt der Rechtsmediziner raus, dass die Stichverletzungen dem Opfer mit der linken Hand zugefügt worden sein müssen. Kann alles vorkommen. Nero, ein Mann stolpert Minuten nach einem Mord über eine Leiche, betatscht sie, schreit herum, sieht niemanden weglaufen … findest du das glaubwürdig?«
»Ein Motiv, Peter!«
»Komm schon,
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