Schwein gehabt
gemacht. — Um neun bei Aldi, ich warte auf Sie .« Sie lachte mir hinterher. Im nächsten Augenblick hatten wir das Wartezimmer verlassen, sodass ich mir die Suche nach einer passenden Erwiderung sparen konnte.
»Nettes Outfit, Ihre Arzthelferin«, feixte ich zu Frau Rudolph hinüber.
»Mir persönlich ist sie auch ein wenig zu — wie soll ich sagen? — auffällig, aber was tut man nicht alles für die liebe Verwandtschaft. Ausbildungsplätze sind heutzutage schwer zu bekommen .«
Während Frau Rudolph mich durch die Diele ihrer Wohnung geleitete, die sich direkt an die Praxis anschloss, stach mir schon der Mief von Gutbürgerlichkeit in die Nase. Eiche rustikal, wohin das Auge blickte. Im Wohnzimmer erwarteten mich die obligatorischen röhrenden Hirsche.
Ich wartete nicht, bis sie mir einen Platz anbot, sondern ließ mich sofort in einen braunen Ledersessel fallen.
»Einen Moment bitte, ich hole meinen Mann .«
Dr. Rudolph entsprach in jeder Hinsicht dem Landarztklischee. Er schien knapp jenseits des Midlife-Crisis-Alters, der kleine Schmerbauch wurde geschickt durch einen weiten Kaschmirpullover kaschiert. Die Brille betonte das Intellektuelle, der Vollbart die Nähe zur Landbevölkerung.
»Guten Tag, Herr Nannen. Rudolph.«
Er schüttelte mir die Hand mit einem kräftigen Händedruck und ließ sich ebenfalls in einem Sessel nieder.
»Heute Morgen habe ich Ihre Anzeige in der Zeitung gelesen. Ich dachte, vielleicht können Sie uns helfen. Es geht um unsere achtzehnjährige Tochter Barbara .«
Sofort hatte ich ein Bild vor Augen: Detektiv Dieter Nannen als strahlender Held, der die geliebte Königstochter aus den Klauen des Unholds befreit und fürstlich entlohnt wird.
»Was ist mit ihr? Ist sie verschwunden ?« , fragte ich eine Spur zu begeistert.
»Nein, nein, nichts dergleichen«, musste er mich enttäuschen. »Vor zwei Wochen hat mich der Direktor ihrer Schule angerufen. Wir kennen uns aus dem Kirchenchor. Seit etwa drei Monaten weist Barbara einige Fehlstunden auf. Uns war das nicht aufgefallen. Sie hat wie üblich jeden Morgen das Haus verlassen und ist pünktlich zurückgekommen .«
Nervös strich Rudolph mit den Händen über seine Oberschenkel. War bestimmt nicht angenehm, mit einem Fremden über die Verfehlungen der eigenen Tochter zu reden.
»Ich habe ihr natürlich sofort eine Standpauke gehalten und bin davon ausgegangen, dass die Sache damit erledigt war. Umso überraschter war ich, als mir der Direktor vor wenigen Tagen erneut mitteilte, dass sich nichts geändert hat und auch ihre schulischen Leistungen rapide nachgelassen haben .«
Rudolph kraulte sich grübelnd den Bart. Dabei war das bisher Gehörte doch gar nicht so schlimm gewesen.
»Irene und ich haben sie natürlich sofort wieder zur Rede gestellt, aber Barbara hat einfach dichtgemacht. Weder meine Frau noch ich konnten zu ihr durchdringen .«
Rudolph zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und schnäuzte sich.
»Soll ich ehrlich sein ?« Er schaute dabei auf seine Fingernägel. »Wir fürchten, dass sie in etwas hineingeraten ist. Vielleicht nimmt sie Drogen .«
»Wir wollen doch nicht gleich das Schlimmste vermuten. Vielleicht hat Barbara ja nur Liebeskummer .«
»Das sollen Sie herausfinden. Ich kann gar nicht sagen, wie es mich freuen würde, wenn Sie Recht hätten. Nehmen Sie den Auftrag an ?«
»Nun, ich glaube, das kann ich im Terminkalender unterbringen. Aber was ist mit der Bezahlung? Ich bin nicht billig .«
»Soll heißen ?«
»Zweihundert Euro pro Tag und dreihundert Euro Erfolgshonorar.«
Rudolph akzeptierte ohne zu murren.
»Dürfte ich Barbaras Zimmer sehen ?«
»Irene, übernimmst du das ?«
Ich erhob mich und folgte der Dame des Hauses.
Barbaras Dachgeschosswohnung war gemütlich eingerichtet, wenn man auf dunkle Farben stand. Die Ikea-Jugendzimmerschrankwand war schwarz lackiert worden und beherbergte einen Fernseher, einen DVD-Player, einen Verstärker, mehrere Dutzend CDs und DVDs. Ich zog einige CDs heraus. Pur und Robbie Williams standen einträchtig neben Darkthrone und Immortal . Black Metal. Ich persönlich lauschte ja auch gerne harten Klängen, aber die neumodischen Vertreter dieses Genres mit ihren kreischenden Sängern hatten für mich zu wenig Power. Ich kannte allerdings nur wenige Frauen, die diese Art von Musik hörten, aber Robbie sorgte ja für den nötigen Ausgleich.
Ich ließ den Blick weiter durch das Zimmer schweifen. Auf der linken Seite stand ein alufarbener
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