Schwein gehabt
Sportlenkrad, die andere eine Filterzigarette — machte eine Handbewegung, die mich zum Platznehmen aufforderte. Seine Lederjacke war mit Buttons zugepflastert: PDS ist cool, Punx Not Dead und Ficken macht Freude. Hohes intellektuelles Niveau.
»Hau dich hin. Ich bin Julius .«
Die ganze Fahrt über führte er einen Monolog, dem ich entnehmen konnte, dass er Tankwart war und in der Bulderner Dorfkapelle mit dem bezeichnenden Namen »Explodierende Tränen« für den Gesang verantwortlich war. Ich erwähnte, ebenfalls Musiker zu sein und nach Dülmen zu wollen. Nach Dülmen wollte er auch.
Etwas wehmütig dachte ich an meine Band zurück. Zusammen mit vier Schulfreunden hatten wir eine respektable Combo auf die Beine gestellt. Die Musikrichtung konnte man grob als Hard Rock mit psychedelischen Einsprengseln charakterisieren. Mit Mick an der Gitarre, Ommes am Bass, Jumper an den Drums, Chris am Gesang und meiner Wenigkeit am Keyboard hatten wir uns nicht auf das Covern bekannter Stücke beschränkt, sondern eigene Songs geschrieben. Doch es kam, wie es kommen musste: Ommes und Mick gingen davon aus, dass Künstler sich nicht mit profanen Dingen wie der pünktlichen Überweisung der Übungsraummiete zu belasten hatten, die Probedisziplin ließ häufig zu wünschen übrig, trotz eines guten Demos konnten wir keinen Plattenvertrag ergattern und die meisten Auftritte misslangen, weil sich Chris vorher mit Wodka zugeschüttet hatte. Vor zwei Jahren hatten wir uns getrennt, und seit dieser Zeit hatte ich keine Musik mehr gemacht.
Ich versprach Julius eine Session nach der Sonntagsmesse und hoffte, dass sein Gedächtnis deutlich kürzer als sein Redefluss war, denn ich konnte mir nicht vorstellen, mit dem Schwätzer gut zu harmonieren.
Dülmen erwies sich als Kleinstadt, zumindest für ländliche Verhältnisse. Ich entdeckte mehrere Supermärkte. Sogar eine Stadthalle war vorhanden. Auch der technische Fortschritt hatte keinen Bogen um Dülmen gemacht, denn es gab Verkehrsampeln. Diese zwangen uns zu einigen unfreiwilligen Stopps, auch wenn Julius nur bei Dunkelrot auf die Bremse trat.
An seiner Arbeitsstelle ließ er mich heraus. Hierbei handelte es sich um eine stark modernisierungsbedürftige Tanke mit angeschlossener Werkstatt, die vierundzwanzig Stunden geöffnet war, was ein großes Schild über den beiden Zapfsäulen stolz verkündete. Als ich links neben der Waschstraße einige PKWs stehen sah, kam mir eine Idee.
Zehn Minuten später war ich stolzer Besitzer eines Fiat Punto , der mich pro Tag nur fünfundzwanzig Euro kostete, hundert Freikilometer inklusive. Ein flotter Porsche wäre mir lieber gewesen, aber zum einen wollte ich das Spesenkonto nicht schon zu Beginn sprengen, zum anderen verlangte der Tankstellenpächter eine Anzahlung, und meine Geldbörse sprach momentan nur Italienisch.
Nachdem alle Formalitäten erledigt waren und ich mich noch einmal bei Julius bedankt hatte, konnte mein erstes Schnüfflerabenteuer beginnen.
Im Handschuhfach fand ich einen speckigen Stadtplan, sodass ich die Buldaustraße problemlos orten und anfahren konnte. Es ging also auch ohne Navigationssystem.
Zollner residierte in einem Reihenhaus, das so durchschnittlich war wie die Protagonisten in »Ich bin ein Star, holt mich hier raus !« . Das Antesten der Klingel blieb mir erspart. Eine hochgewachsene Frau mit kurzen, rot gefärbten Haaren schickte sich an, in einen schwarzen Jaguar zu steigen, der in der Einfahrt geparkt war.
»Einen Moment bitte. Sind Sie Frau Zollner ?«
»Frau Zollner-Knittel. Wollen Sie zu mir ?«
»Ich hätte gerne Ihren Mann gesprochen. Nannen ist mein Name .«
»Der hat seinen Lehrerstammtisch im Vollen Krug gleich um die Ecke. Ich muss weg .«
Sie nahm sich nicht die Zeit, sich zu verabschieden, und ehe ich mich versah, erblickte ich nur noch die Abgasfahne ihres Wagens.
Ich latschte die fünfzig Meter zur Kneipe und ging hinein. Glücklicherweise war der Krug alles andere als voll. Den vier Männern um den Holztisch, auf dem ein Oktoberfesthumpen mit der Aufschrift »Reserviert« platziert war, sah man die Zugehörigkeit zum Lehrertum sofort an. Vom ehemaligen Unteroffizier bis zum verhinderten Künstler war jeder Typus vertreten. Ich ging auf die Gruppe zu.
»Herr Zollner?«
»Wer will das wissen ?« , quatschte mich ein Glatzkopf mit Rollkragenpulli an, der mit Sicherheit schon das eine oder andere Pils intus hatte.
»Entschuldigen Sie, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Dieter
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