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Schwein gehabt

Schwein gehabt

Titel: Schwein gehabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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Kleiderschrank, den ich jedoch im Beisein der Hausherrin nicht durchwühlen wollte. Daneben bildete statt eines Bettes eine einfache Matratze die Schlafstatt. Die Bettwäsche war passend zur Schrankwand ebenfalls in einem dezenten Schwarz gehalten, allerdings mit kleinen silberfarbenen Punkten; ein wenig Auflockerung konnte nicht schaden. Ein Schreibtisch fehlte, aber wahrscheinlich gab es in der Rudolphschen Villa genügend Räume, in denen Babsi ihre Hausaufgaben machen konnte. Andererseits war dies vielleicht der wahre Grund für die miesen Zensuren.
    Die enorme Bandbreite im CD-Regal spiegelte sich auch an den Wänden wider. Über dem Bett hing ein Konzertplakat der kürzlich abgeschlossenen Herbert-Grönemeyer-Tournee, die gegenüberliegende Wand zierten zwei großformatige Poster von Dimmu Borgir und Cradle of Filth , offensichtlich aus Musikmagazinen herausgetrennt. Durch das Studium eben solcher Musikmagazine wusste ich, dass Dimmu und Cradle bei den Black- Metal -Puristen in Ungnade gefallen waren, seitdem sie kommerzieller und damit erfolgreicher geworden waren.
    Das Zimmer war für eine Achtzehnjährige sehr aufgeräumt, wobei man natürlich nicht wusste, ob es Barbaras Verdienst oder der ihrer Mutter war. Der Raum roch sehr frisch, Aschenbecher waren nirgendwo zu sehen. Wenn Barbara rauchte, dann nicht hier.
    Ich hatte genug gesehen. Von Frau Rudolph ließ ich mir Namen und Adressen der Schule und des Stufenleiters sowie ein Foto der ungehorsamen Tochter geben. Das Bild war augenscheinlich während eines Urlaubs in den Bergen aufgenommen worden; im Hintergrund grasten Kühe auf einer Almweide. Viel interessanter war jedoch das Hauptmotiv: Barbara war eine außerordentlich attraktive Achtzehnjährige, die zweifellos die Hormone der männlichen Mitschüler ordentlich in Wallung brachte. Sie musste etwa einssiebzig groß sein und hatte lange blonde Haare, die zu einem Pferdeschwanz gebunden waren. Ihre blauen Augen und die vollen Lippen gereichten ihr nicht zum Nachteil. Sie war sehr schlank, mit Kurven an den richtigen Stellen, die sie durch die Wahl ihrer Kleidung — eng anliegendes rotes T-Shirt und noch engere Blue Jeans, die sie nur in der Badewanne angezogen haben konnte — angemessen präsentierte.
    Wenn Dr. Rudolph kein Allgemeinmediziner, sondern Schönheitschirurg gewesen wäre, hätte man sicherlich den Verdacht hegen können, dass er kräftig nachgeholfen hatte.
    Alles in allem war Babsi sicherlich keine Schülerin, der man freiwillig den Nachhilfeunterricht verweigerte. Ich nahm mir vor, ihr ein entsprechendes Angebot zum Vorzugspreis zu machen, wenn ich sie auf den rechten Pfad zurückgeführt hatte, denn schließlich musste sie den verpassten Schulstoff wieder aufholen.
    »Ist sie nicht ein hübsches Kind ?« , unterbrach Frau Rudolph meine Zukunftspläne.
    »Sie ist Ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten«, versuchte ich zu schmeicheln, »und machen Sie sich keine Sorgen: Für das Verhalten Ihrer Tochter gibt es bestimmt eine plausible und ganz und gar undramatische Erklärung .«
    »Ihr Wort in Gottes Ohr.«
    Ob Gott wirklich hinhörte, wenn ich etwas zum Besten gab, ließ ich dahingestellt. Ich verabschiedete mich und machte mich auf den Weg nach Hause.

8

    N achdem ich Wilpert mit Schweinemehl und mich
    mit Erbsensuppe aus der Dose gefüttert hatte, begann ich eine Strategie zu entwickeln.
    Einen Besuch des Martin-Heidegger-Gymnasiums in Dülmen konnte ich mir heute schenken. Barbaras Schule war bereits geschlossen.
    Blieb Babsis Stufenleiter Martin Zollner.
    Ich blickte auf die Wanduhr, einen der wertvollsten Posten meines Erbes. Der Stundenzeiger stand auf der sechs, Minutenzeiger und Uhrdeckel glänzten durch Abwesenheit. Um diese Zeit war Zollner bestimmt zu Hause.
    Wenn ich vor Mitternacht in Dülmen ankommen wollte, brauchte ich ein motorisiertes Fahrzeug. Da Schumann sich in dieser Beziehung unerbittlich gezeigt hatte, blieb mir nur die Möglichkeit, mich an den Straßenrand zu stellen, den Daumen zu heben und auf den nächsten Viehtransport zu warten.
    Ich ging nach draußen, stellte mich in Tramperpose auf und hoffte, dass die Münsterländer Autofahrer auch Mitreisenden ohne Minirock und vier Metern Oberweite einen Platz auf dem Beifahrersitz gewährten.
    Nach zehn Minuten brauste ein roter VW Polo mit Rallyestreifen und getönter Heckscheibe vorbei, machte eine Vollbremsung, wendete und kam vor mir zum Stehen. Ein schwarz gelockter Jüngling — die eine Hand umklammerte das

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