Schwein Oder Nichtschwein
feuriges und mutiges Temperament, und ein Gefühl der Verbitterung brannte immer noch in ihr. Jahrelang hatte sie im Geist eine Reihe sehr guter Bemerkungen gespeichert, die sie ihrem treulosen Geliebten entgegenschleudern wollte, sollten sie sich einmal treffen. Dieses Treffen schien jetzt, da sie nur drei Meilen voneinander getrennt waren, so weit entfernt wie je; und dieser Gedanke war bitter. In der Situation, in der sie sich befand, konnte sie kaum den Wagen kommen und sich nach Matchingham Hall fahren lassen, und vor dem Gedanken, in diesem drückenden Sommerwetter zu Fuß dorthin zu gehen, schreckte sie zurück, denn ihre Ansichten über Fußwanderungen stimmten im wesentlichen mit denen Sir Gregory Parsloes überein.
Auf dem Gelände von Blandings Castle konnte man zu diesem Zeitpunkt bekümmerte Seelen in großer Anzahl fnden – tatsächlich wäre es fast unmöglich gewesen, einen Stein zu werfen, ohne eine zu treffen – und die von Maudie Stubbs alias Bunbury stand weit oben auf der Liste.
Gallys Niedergeschlagenheit ist ebenso leicht zu erklären. Mit der Kusine des Mannes Parsloe, die tagtäglich engsten Umgang mit der Kaiserin hatte, mit der Verlobten des Mannes Parsloe, die wohletabliert im Hause saß, und mit dem Mann Parsloe selbst, der sich die Hände rieb und »Jo ho ho, eine ganze Flasche Slimmo« sang, im Hintergrund, war eine beständige Heiterkeit seinerseits kaum zu erwarten. Denken Sie hier noch an die Tragödie, die das Leben von Penny Donaldson und diesem ausgezeichneten jungen Manne Vail verdunkelt hatte, nehmen Sie zu besagter Tragödie des Telefongespräch dazu, das Gally kurz vor dem Dinner mit Sir Gregory geführt hatte, und Sie dürfen sich nicht wundern, wenn Gally nicht sein übliches überschäumendes Selbst war.
Wie lange die Stille angehalten hätte, ist unmöglich zu sagen. An diesem Punkt aber wurde der Bann durch die Ankunft Lord Emsworths unterbrochen, der ein wenig abwesend aus dem gelben Salon herauskam und aussah wie ein Mann, der jemanden sucht. Er hatte Maudie auf die Terrasse gehen sehen, und es schien ihm, als wäre das eine großartige Möglichkeit, außerhalb des Dunstkreises seiner wachsamen Schwester Constance ein schnelles Wort mit ihr zu wechseln. Die Bedingungen für ein solches Tete-à-tete hätten kaum besser sein können. Der Mond schwamm am Himmel, die Luft duftete schwer von nachtblühenden Blumen, Lord Vosper, der darüber hinaus, daß er ein hitziges Tennisspiel liefern konnte, auch über einen netten Tenor verfügte, saß am Klavier und sang Lieder mit einem stark gefühlsmäßigen Einschlag, und Lord Emsworth glaubte, daß zehn Minuten Munkeln im Dunkeln mit Maudie dieses Bild positiv abrunden würden.
Seit sein Bruder Galahad ihn der Witwe Cedric Stubbs' auf dieser selben Terrasse vorgestellt hatte, hatten sich in Lord Emsworths Busen merkwürdige und neue Gefühle geregt. Er war ein Mann, der seit dem Tod seiner Frau vor zwanzig Jahren so etwas wie eine Lebensaufgabe daraus gemacht hatte, die Frauen zu meiden. Er konnte natürlich nicht darauf bauen, sie ganz und gar zu umgehen, denn Frauen haben eine unangenehme Art, in unerwarteten Momenten aufzutauchen, aber er war ganz gut zu Fuß, und seine Politik, plötzlich wie eine Ente wegzutauchen, hatte ausgezeichnete Ergebnisse erzielt. Inzwischen war es in seinem kleinen Kreis so gut wie allgemein akzeptiert, daß der neunte Earl von Emsworth nicht gerade ein Frauenfreund war und daß jede Frau, die versuchen sollte, ihm ein höfiches Wort zu entlocken, das auf eigene Gefahr unternahm.
Zu Maudie jedoch hatte er sich von Anfang an merkwürdig hingezogen gefühlt. Er bewunderte ihr Aussehen. Ihre Persönlichkeit gefel ihm. »Verführerisch« war das Wort, das sich ihm aufdrängte. Maudies Blick war wie der einer Frau, die im stillen sagte: »Komm mich doch mal besuchen!«, und das – merkwürdig genug – schien ihm ein ausgezeichneter Gedanke zu sein. Deshalb war er jetzt in der Hoffnung auf einen angenehmen Gedankenaustausch mit ihr auf die Terrasse herausgeschlendert.
Aber diese Dinge entwickeln sich selten, wie man es erwartet. Hier lag die Terrasse, in Mondlicht getaucht, und hier war auch sie, ebenfalls in Mondlicht getaucht, aber hier befand sich darüber hinaus, das sah er jetzt, noch sein Bruder Galahad, nicht weniger in Mondlicht getaucht. Der Anblick brachte ein kurzes »Oh, ah« auf seine Lippen, und die Anwesenheit einer dritten Partei kühlte seine romantische
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