Schwein Oder Nichtschwein
des leeren Stalles lehnte, hätte er nicht sagen können. Aber nach einem längeren Zeitraum schlaffer Mutlosigkeit kehrte das Leben in seine matten Glieder zurück. Mit bleichem und verzerrtem Gesicht trabte er ins Haus und begab sich in die Pantry des Butlers. Es gibt Momente, in denen ein Mann einen Freund braucht, und sein bester Freund auf dem Gelände von Matchingham Hall war Herbert Binstead.
Wenn ein Mann in Market Blandings herumgelaufen ist, um fünf zu eins Wetten auf das Schwein seines Arbeitgebers anzubieten, und mit der sportlichen Dorfjugend auch eine ganze Reihe von Wetten zu diesem Kurs abgeschlossen hat, wenn ein solcher Mann erfährt, daß besagtes Schwein verschwunden ist wie die zersägte Dame im Zaubertrick, ist es entschuldbar, wenn er seine Gefühle zeigt. Binstead, der gerade die Morgenzeitung las, als George Cyril mit der schlechten Nachricht auftauchte, zerriß diese mit einem ruckartigen Zerren in zwei Teile und sprang vom Stuhl auf, als wäre ein rotglühender Schaschlikspieß durch den Sitz gedrungen.
»Geklaut?« stöhnte er auf.
»Exakt«, sagte George Cyril und fügte hinzu, daß dies das Werk des Ehrenwerten Galahad Threepwood sei, wobei er dem Namen des letzteren einige ziemlich bedauerliche Adjektive vorangehen ließ. Er erwähnte auch ein paar Eingriffe – meist grob chirurgischer Natur –, die er an diesem erfnderischen alten Herrn gerne vorgenommen hätte, hätte er nur freie Hand.
Nachdem er alles gesagt hatte, was ihm aus dem Stegreif zu diesem Thema einfallen wollte, machte er eine Pause und schaute auf Herbert Binstead, nicht direkt vertrauensvoll, aber mit einem leisen Fünkchen Hoffnung. Es könnte ja sein, dachte er, daß der andere etwas vorzuschlagen hätte. Binstead war nämlich einer jener fuchsgesichtigen, schlagfertigen jungen Männer, die ganz generell immer etwas vorzuschlagen haben.
Sein Vertrauen war nicht fehl am Platze. Geraume Zeit verstrich, ehe sein Gegenüber in der Lage war, den Weg aufzuzeigen, aber schließlich bewies ein plötzliches Leuchten in seinen Augen, daß er die notwendige Inspiration erhalten hatte.
»Paß auf«, sagte Binstead. »Weißt du, wo das Schwein des alten Emsworth ist?«
George Cyril erwiderte, daß die Kaiserin in Blandings Castle sei, und Binstead schnalzte ungeduldig mit der Zunge.
»Wo denn in Blandings Castle?«
»Unten beim Küchengarten.«
»Und sie kennt dich?«
»Natürlich kennt sie mich. Ich habe mich ein Jahr lang oder länger um sie gekümmert.«
»So daß sie, wenn du hingehst und sie klaust, keine Schwierigkeiten machen würde?«
»Mann!« sagte George Cyril benommen, weil ihm die Genialität des Plans sozusagen ins Gesicht schlug. Er hatte es ja die ganze Zeit gewußt, sagte er sich, daß der gute alte Herb der Situation gewachsen war.
»Sie würde sich von dir fortführen lassen?«
»Wie ein Lamm«, sagte George Cyril. »Sie würde nicht einmal grunzen.«
Binstead war jetzt der große Manager, der Mann, der die Dinge in Bewegung brachte.
»Dann komm«, sagte er. »Wir können uns heimlich den Wagen aus der Garage holen. Wir werden sie hinten einladen.«
George Cyril Wellbeloved tat einen tiefen Atemzug. Die Aussichten waren zwar immer noch nicht ganz aufgehellt, aber ein wichtiger Akzent war gesetzt worden. Wenn Sir Gregory Parsloe am nächsten Tag zum Stall kam, um seinen allmorgendlichen Inspektionsbesuch abzustatten, würde er zumindestens ein Schwein dort antreffen.
6
Hell und klar zog der folgende Tag herauf. Der Himmel war blau, die Vögel zwitscherten, die Natur lächelte. Lord Emsworth jedoch folgte dem Beispiel der Natur nicht. Von der verbitternden Notwendigkeit einmal abgesehen, einen steifen Kragen anlegen, einen Zylinder aufsetzen und so früh aufbrechen zu müssen, wie er es angekündigt hatte, hatte er sich erkältet. Nieser und Schniefer unterstrichen die unmännlichen Klagen, mit denen er die Stimmung am Frühstückstisch dämpfte. Selbst der Gedanke, Maudie an seiner Seite zu haben, schien kaum zu helfen, seine schlechte Laune abzumildern.
Es gelang schließlich, ihn auf die Reise zu schicken, obwohl Lady Constance die ganze Kraft ihrer Persönlichkeit aufwenden mußte, um ihn davon abzuhalten, noch einmal zum Stall zu gehen und der Kaiserin ein letztes Lebewohl zu sagen. Gally erholte sich gerade mit einer Zigarre auf der Terrasse, als er Lord Vosper herankommen sah. Es schien Lord Vospers Wunsch zu
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