Schwein Oder Nichtschwein
Arbeitgebers hatte ihn ins Mark getroffen, er sank in einen Sessel und wischte sich eine Träne aus dem Auge. »Sir«, sagte er, »Sie werden diese Worte noch bedauern. Auf dem Sterbebett werden Sie sie bedauern. Am letzten schrecklichen Tag, an dem wir alle vor dem höchsten Richter Zeugnis ablegen müssen, werden Sie bereuen, daß Sie so streng gesprochen haben. Ich bin nicht wütend – nur furchtbar, furchtbar verletzt . . .«
»Lassen Sie das Gefasel. Was bedeutet dieser Brief? Von wem ist er?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, Sir, weil ich es nicht weiß. Er wurde mir von Butch, dem Bettler auf Blandings Castle, anvertraut. Oder vielmehr«, sagte George Cyril Wellbeloved, denn er hatte gern Ordnung in den Dingen, »von Bett, dem Buschler –«
»Und darf man fragen, was Sie in Blandings Castle zu schaffen hatten?«
George Cyril, wenn auch berauscht, war in der Lage, dem auszuweichen.
»Ich habe die Stätten der Vergangenheit aufgesucht, Sir. Nostal-irgendwie nennt man das. Ich habe manch glückliches Jahr in Blandings Castle verbracht und wollte sehen, wie es jetzt dort aussieht. Ich weiß nicht, ob Sie mit dem Gedicht vertraut sind, das anfängt ›Wie sind die Szenen der Kindheit lieb diesem Herzen, wenn eine freundliche Erinnerung sie dem Auge enthüllt‹. Ich habe es in der Sonntagsschule gelernt. Es geht weiter mit einem alten, eichenen Eimer.«
In der Art und Weise, wie Sir Gregory nicht nur seinen Schweinehüter, sondern auch des letzteren Sonntagsschule und die Gedichte, die er dort gelernt hatte, verdammte und verfuchte, lag etwas, das diesen sensiblen Menschen aufs neue verwundete. Er verfel in ein gekränktes Schweigen, und Sir Gregory nahm den Brief. Er öffnete ihn, und im nächsten Moment schrillte ein erschreckter Aufschrei durch den Raum.
»Schlechte Nachrichten, alter Junge?« fragte George Cyril mitfühlend, stand auf und lehnte sich lässig über die Armlehne des Sessels seines Arbeitgebers.
Sir Gregory war bereits zum Telefon gestürzt und verlangte die Nummer von Blandings Castle.
»Beach? . . . Hier spricht Sir Gregory Parsloe . . . Ob es ein guter Abend ist oder nicht, ist vollkommen uninteressant. Ich möchte Miss Salt sprechen . . . Äh? . . . Es ist mir egal, ob sie sich zurückgezogen hat oder nicht. Gehen Sie und holen Sie sie. Sagen Sie, ich will sie wegen ihres Briefes sprechen –«
»Lassen Sie mich mal sehen«, sagte George Cyril Wellbeloved kurz. Er riß Sir Gregory den Brief aus der Hand und buchstabierte sich mit gewissen Schwierigkeiten hindurch, denn aus irgendeinem Grunde waren seine Augen heute abend nicht in Bestform. Er äußerte hier ein »HmHm«, dort ein »Tststst«, während Sir Gregory am Telefon seine erfolglosen Bemühungen weiterführte, Verbindung mit Miss Salt herzustellen.
»Ich sage Ihnen . . . Oh zum Teufel!« schrie Sir Gregory und legte mit einem Knall den Hörer auf.
George Cyril Wellbeloved legte den Brief nieder.
»Und jetzt«, sagte er, »wollen Sie vermutlich wissen, was ich von alledem denke.«
Sir Gregory, dem erst jetzt bewußt wurde, daß seine Privatkorrespondenz von einem Schweinehüter gelesen worden war, und mehr noch: von einem stinkenden Schweinehüter, war einen Augenblick so verblüfft, daß er lediglich mit hervorquellenden Augen glotzen konnte, und George Cyril fuhr fort.
»Nun, ich werde es Ihnen sagen. Sie gibt Ihnen tatsächlich den Laufpaß. Was Sie getan haben, um das liebe Herzchen zu verletzen, weiß ich nicht. Das ist eine Sache, die Sie mit Ihrem Gewissen abmachen müssen. Aber man kann nicht daran rütteln, sie läßt Sie sitzen. Sollten Sie Ihre Aussteuer bereits bestellt haben, machen Sie es rückgängig, Kumpel.«
Ein Tierlaut brach aus Sir Gregory Parsloe hervor.
»Was zum Teufel soll das heißen, daß Sie meine Briefe lesen? Raus! Sie sind entlassen!«
George Cyrils Augenbrauen hoben sich.
»Habe ich Sie das Wort ›entlassen‹ benutzen hören?«
»Genau das haben Sie. Raus hier, Sie Dreckhaufen, und morgen früh sind Sie verschwunden!«
In Momenten wie diesen treffen Sie einen Schweinehüter in seiner besten Form an. Nichts hätte beeindruckender sein können als George Cyril Wellbeloveds Benehmen in seiner stillen Würde, als er sprach.
»Sehr gut«, sagte er. »Wie Sie wünschen.« Er hielt ein, im Begriff »Es ist ganz und gar unwesentlich für mich« zu sagen, aber die Klugheit gewann die Oberhand, und er
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