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Schweine zuechten in Nazareth

Titel: Schweine zuechten in Nazareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Sthers
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Ich zündete mir eine Zigarette an. Ich mietete einen Wagen und beschloss, mir Zeit zu lassen mit der Ankunft bei Papa. Das war gestern. Ich bin immer noch dabei, bei mir anzukommen.
    Wie sehr sich Tel Aviv verändert hat. Du wirst es sehen. Die Jugend ist schön, frei, direkt, aggressiv. Männer küssen sich auf offener Straße. Man sieht Soldaten neben großen Blondinen in Leggings, Falaschas mit Korkenzieherlocken (das ist keine örtliche Spezialität, das sind strenggläubige jüdische Äthiopier) und hübsche gepiercte Mädchen. Das ist das neue Swinging London, und die Sonne gibt’s gratis dazu. Ich nahm mir ein Hotelzimmer und sagte mir, dass ich am nächsten Tag zu Papa fahren würde. Dann bin ich spazieren gegangen.
    Ich fühlte mich schön. Ich habe sehr viel abgenommen, dank diesem verfluchten Liebeskummer. Ich trug ein kurzes weißes Kleid auf meiner milchig weißen Haut. Ich versteckte mich wie üblich hinter dem Objektiv meines Fotoapparats und zeigte mich nur dann, wenn ich mir etwas ansehen wollte, was ich festhalten könnte.
    Auf einmal schaut mir ein Mann direkt in die Augen und sagt etwas auf Hebräisch zu mir. Ich antwortete, dass ich seine Sprache nicht sprechen würde und er sagte »I like you«, ohne sich aus der Fassung bringen zu lassen. »Come.«
    Er nahm mich bei der Hand. Ich bedeutete ihm, dass ich noch nicht bezahlt hatte. Er warf einen Geldschein auf den Tisch und führte mich mit sich fort. Es war drei Uhr am Nachmittag. Die Sonne knallte. Meine Hand wurde feucht in seiner Hand, die trocken und rau war. Ich hatte angefangen, ihn zu mustern. Er hatte etwas Animalisches an sich, das ausgeprägter war als seine Schönheit. Aber er war ein verführerischer Mann. Groß, dunkel, mit pistaziengrünen Augen.
    Â»Annabelle«, sagte ich.
    Und ich wiederholte meinen Namen, damit er mir seinen verriet, »Avi«.
    Wir durchquerten einige Straßen, dann betraten wir ein Gebäude und stiegen die Treppe hoch. Ich dachte, wir gingen zu ihm. Nein, eigentlich dachte ich gar nichts. Ich versuchte es hinzukriegen, dass mein Herz meine Brust nicht sprengte.
    Die Wohnung war dunkel. Alle Fensterläden waren geschlossen. Es war eine Art Nachtclub mitten am Nachmittag. Keine Party für Jugendliche, vielmehr ein verruchtes Refugium. Für Leute, die tanzen, trinken und einander auf den Mund küssen. Also haben auch wir die drei Dinge gemacht. Und dann führte er mich in einen noch dunkleren Winkel der Wohnung. Er hob mein Kleid an und wir liebten uns. Manchmal sah ich Leute vorbeigehen, aber niemand schien Anstoß zu nehmen. Es lief ein Lied, das die Leute aus vollem Hals mitsangen und ihre Schreie haben die meinen verdeckt, als ich einen heftigen Orgasmus hatte. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schön Avi war, wie fest er mich mit seinen Händen hielt. Einen Augenblick lang fühlte ich mich so winzig und doch so beschützt. Ich fühlte mich schön. Dann sind wir wieder auf die Straße hinausgegangen. Wir haben uns noch lange angelächelt. Er setzte einen letzten Kuss auf meinen Mund. Bevor er sich umdrehte, machte sein Körper eine Geste, die mich zum Folgen aufforderte. Ich senkte den Kopf und als ich ihn wieder hob, war er schon weit weg, ich sah seinen Rücken in der Menge. Ich hatte gerade noch genug Zeit, um nach meinem Fotoapparat zu greifen.
    Annabelle

Harry Rosenmerck an Monique Duchêne
    Nazareth, 11. Mai 2009
    Liebe Monique,
    ichweißnicht,unterwelcherAdresseichAnnabelleschreiben soll und ihr Handy geht nicht. Sie sollte gestern ankommen, aber sie hat mir nie ihre Flugzeiten gegeben.
    Dich bekomme ich auch nicht ans Telefon. Ich hoffe, dass alles in Ordnung ist.
    Ich fahre morgen wieder in die Stadt und werde versuchen, sie zu erreichen. Du kannst mir eine telefonische Nachricht in meinem Stammcafé in Nazareth hinterlassen. Die Nummer ist: 00 972 345 26 12.
    Ich danke dir jetzt schon, dass du mich auf dem Laufenden hältst.
    Harry

Monique Duchêne an Harry Rosenmerck
    Paris, 14. Mai 2009
    Lieber Harry,
    ich habe im Café eine Nachricht hinterlassen. Der Besitzer ist nicht gerade das, was man eine einnehmende Persönlichkeit nennen würde. Da ich nicht sicher bin, ob er dir die Nachricht ausrichtet, wiederhole ich hiermit in diesem Brief, dass es Annabelle gut geht. Sie hatte ihrem Bruder eine Mail geschickt. Sie fährt noch ein bisschen herum, bevor sie mit

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