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Schweine zuechten in Nazareth

Titel: Schweine zuechten in Nazareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Sthers
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übrigens nicht jeden Tag in meine E-Mails. Tel Aviv und dieses Land, das ich seit Jahren gemieden habe, hat mich in seinen Bann gezogen. Welch ein Reichtum! Welche Kreativität! Und wie schön die Menschen sind! Diese vielen Mischungen. Das ist das Erstaunlichste hier. Diese Mischung der Ethnien. Das Gegenteil von dem, was man erwarten würde. Dieses Land, das nichts Monotheistisches an sich hat, und das Aussehen der Soldaten machen nicht gerade Lust darauf, monogam zu leben.
    Trotzdem wünsche ich mir sehr, dir eine Freude zu machen und mich zu verlieben. Wo kann man sich damit anstecken, Mama? Und was ist, wenn es nie über mich kommt? Ich rede von dieser wechselseitigen und unverdorbenen Liebe. Dieser perfekt ausgeleuchteten Liebe aus der Werbung. Die gibt es doch, oder? Alle Männer, die ich je geliebt habe, waren entweder nicht frei oder liebten mich nicht zurück. Von der Liebe kenne ich nur das Brennen.
    Ich liebe dich auch,
    deine allwissende Annabelle

Rabbi Moshe Cattan an Harry Rosenmerck
    Nazareth, 17. Mai 2009
    Mein guter Harry,
    ich kann mir vorstellen, dass du schon viele Ferkel auf deiner Farm gesehen hast. Hast du bemerkt, wie sehr sie unseren Babys ähnlich sehen? Das hat etwas Verstörendes an sich.
    Die meisten Menschen sind sich darüber einig, dass das Verbot von Schweinefleisch in den Religionen, und insbesondere in unserer, aus hygienischen Gründen erfolgte. Ich habe eine andere Theorie. Die DNS des Schweins ist der menschlichen sehr ähnlich. Das ist unser allernächster Cousin. Als es einmal diesen Flugzeugabsturz in den Anden gab und die Überlebenden sich von den Leichen ihrer Mitmenschen ernähren mussten, um am Leben zu bleiben, haben sie später behauptet, der Geschmack sei der gleiche gewesen wie bei Schweinefleisch. Ich denke, wir sollten diese Tiere, die sich von den eigenen Exkrementen und von Abfall ernähren, die alles fressen können, sogar Vertreter ihrer eigenen Art, nicht essen, um nicht zu werden wie sie. Um das zu bewahren, was wir »Humanität« nennen.
    Die abendländischen Gesellschaften haben das Gleiche getan, in Bezug auf Hunde und Katzen. Aber niemandem ist bewusst, dass es sich um ein Tabu handelt, dem dieselben Mechanismen zugrunde liegen! Die Tatsache, kein Schweinefleisch zu essen, symbolisiert im kollektiven Unterbewusstsein meist das Jüdische. Wir essen keine Garnelen, kein Pferdefleisch, auch keine Schnecken, wir machen samstags kein Licht an. Aber was uns für viele definiert, ist die Tatsache, dass wir kein Schweinefleisch essen. Für einen Rabbi benutze ich übrigens recht häufig das Wort »Schweinefleisch«, die meisten von uns schreiben es noch nicht einmal. Um es im Talmud nicht zu benennen, sagt man davar acher , was »ein anderes Ding« bedeutet.
    Schon im Mittelalter, trotz der langen Verbotsliste im 5. Buch Mose, behielten die Christen nur das Verbot des davar acher im Kopf und verfassten Geschichten, in denen Juden Schweinefleisch gegessen hatten und dafür hingerichtet wurden. Schlimmer noch, die mittelalterlichen Judenhasser haben sich nach und nach des Schweins bedient, um die Juden damit zu symbolisieren. Mal waren es jüdische Kinder, die von einer Sau gesäugt wurden, mal haben sie deren Ausscheidungen gegessen. Dies setzte sich fort, bis zur Propaganda des Nazideutschlands. Und bewirkte eine hasserfüllte Ablehnung: »Ihr esst keine Schweine, weil ihr selbst welche seid … «
    Hier ist eine Sache, endlich mal eine (!), bei der wir mit unseren muslimischen Cousins einer Meinung sind. Geben Sie diese Zucht auf und eröffnen Sie wieder eine kardiologische Praxis!
    In Freundschaft,
    Rabbi Moshe Cattan

Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Datum: 17. Mai 2009
    Betreff: Morgen
    David,
    ich kriege dich nicht ans Telefon.
    Es tut mir leid, aber ich muss unser morgiges Mittagessen absagen. Es ging mir heute nicht so gut und der Doktor meint, ich solle mal vorbeikommen. Es ist nichts Schlimmes, mach dir keine Sorgen. Ich habe eine kleine Diät gemacht und dabei wahrscheinlich etwas übertrieben …
    Das Ende vom Lied ist, dass mich Elisabeth eingeladen hat, um mich bei L’Ami Louis aufzupäppeln. Hmmm … ein sündhaft teures, gegrilltes Hähnchen. Das wird mir guttun.
    Liebe Grüße,
    Mama
    P. S. Anastasia hat deine Wäsche gebügelt. Zu Hause ist alles fertig.

Von: [email protected]
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