Schweineblut
Eine köstliche Idee. Besser hätte ich es auch nicht
ausdrücken können. Ich bestelle uns einen Champagner aufs Zimmer. Michaela, du
bist wunderbar.«
Viola räusperte sich.
»Du brauchst nichts zu sagen. Genieß einfach den Abend.«
»Ich …« Ihre Stimme brach ab. »Das geht mir zu schnell.«
»Geht es dir nicht gut?« Van Bommel sah besorgt aus.
»Mir ist nur ein bisschen schwindelig. Das ist alles.«
»Keine Angst, das ist die Vorfreude.«
»Entschuldige mich einen Augenblick.«
Viola Kaumanns schloss sich in einer der Toilettenkabinen ein und lehnte
sich gegen die Tür. Ihre Gedanken rasten. Sie nahm ihr Handy aus der
Hosentasche und wählte die vereinbarte Nummer, über die sie direkt mit Kuhnert
verbunden sein würde. Mit Entsetzen musste sie feststellen, dass ihr Telefon
keinen Empfang hatte.
»Scheiße, Scheiße, Scheiße«, fluchte sie leise. Sie konnte nicht
ewig auf der Toilette bleiben. Am Ende würde van Bommel noch Verdacht schöpfen.
Sie drückte die Spülung und ging langsam ins Lokal zurück.
»Da bist du ja wieder, Liebes. Alles in Ordnung?«
Sie fühlte vorsichtig unter ihre Jacke. Der flache Stahl
war noch da.
Liebe! Lächerlich. Schmutzigen Sex, billig, erniedrigend und dumm:
Den hatte sie für ihre Gefühle bekommen. Und Schuld hatte dieser Mann, der
Michael für seine Zwecke missbraucht hatte. Michael war zu Anfang ganz anders
gewesen. Den Himmel auf Erden hatte er ihr versprochen, und den hatte sie auch
bekommen. Wenigstens für eine kleine Weile. Dann hatte er sich verändert. Hatte
sich vom liebevollen Engel zum gierigen Teufel gewandelt, der für seinen
»Meister« alles tat. Michael war nicht mehr da. Das war nicht bedauerlich, denn
er hatte zum Schluss immer nur noch für das eine gelebt. Für das, was er sein
»feines Stöffchen« nannte. Auch in ihrem gottverdammten und beschissenen Leben
zählte nur noch wenig. Etwa die Fotos, die jetzt in ihrem Besitz waren.
Sie hatte einige Zeit gebraucht, um van Bommel zu finden. Die Suche
nach ihm hatte ihr die Kraft zum Weiterleben gegeben. Und nun war sie ihm so
nahe, dass sie nur die Hand auszustrecken brauchte. Doch dann war diese Frau
aufgetaucht. Eigentlich sollte sie das kleine Flittchen in sein Unglück rennen
lassen. Dass sie die Frau vor diesem Monster in Menschengestalt retten würde,
war eine Nebensächlichkeit.
Im Grunde war es sogar gut, dass diese Frau ins Spiel gekommen war.
So wurde er unvorsichtig.
Sie brauchte nur noch zuzustechen.
»Wer ist diese Frau?« Jan Kuhnert sah Ina Weber an.
»Keine Ahnung.«
»Was schleicht sie um diese Zeit durch die Kälte? Sie scheint
jemanden im Lokal zu beobachten.«
»Vielleicht eine gehörnte Ehefrau oder eine entlassene Angestellte
oder einfach nur eine Altenpflegerin, die sich die Beine vertritt.«
»Hm«, brummte Kuhnert, »macht Fotos. Und beobachtet sie. Wir warten
noch.«
»Sie ist weg.« Die Stimme aus dem Sprechfunkgerät klang verhalten.
»Sie ist ums Gebäude rum. Die Kollegen müssten sie jetzt sehen.«
»Fehlanzeige.« Das war die Stimme von Ingo Thiel.
»Na, dann ist sie wohl ins Altenheim zurück. Hauptsache, ihr habt
ein Foto von ihr.« Kuhnert sah seine Kollegin an. »Wenn sie noch einmal
auftaucht, gebt Bescheid.«
»Wir sollten sie überprüfen.« Ina machte sich Notizen.
»Jetzt halt mal den Ball flach. Was hat eine Altenpflegerin mit van
Bommel zu tun?«
»Vermutlich nichts. Aber man kann ja nie wissen.«
»Sollen wir gehen?« Marco van Bommel nahm erneut ihre
Hand.
»Ja, aber ich würde noch gerne den Bratapfel probieren.« Viola
Kaumanns sah sich um, als suche sie die Kellnerin. Dabei hoffte sie, irgendein
Zeichen zu bekommen, dass man sie gleich aus dem Lokal herausholen würde.
»Sagtest du nicht eben, dass dir nicht gut ist?«
Viola Kaumanns lächelte. »Schon. Aber bei Bratapfel kann ich nicht
Nein sagen. Bitte, Marco.«
»Wenn du möchtest, dann kannst du natürlich noch deinen Bratapfel
essen. Wir haben Zeit.« Er sah ihr tief in die Augen. »Die ganze Nacht.«
»Schön.« Sie wandte ihren Blick ab und sah in die Dunkelheit hinaus.
Sie meinte eine Frauengestalt zu sehen, die hastig an ihrem Fenster vorbeiging.
»Michaela, du machst mich sehr glücklich.«
—
»Was ist passiert?«
»Sie waren essen.«
»Und dann?«
»Dann sind sie ins Hotel zurück.«
»Und dann?«
»Dann haben sie an der Bar gesessen.«
»Und dann?«
»Ziemlich lange.«
»Und dann? Ich will den ganzen Bericht.«
Jan Kuhnert räusperte sich. »Wie
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