Schweineblut
Ferdinand
Inderbiethen deutete mit seiner schmalen Hand auf den Telefonapparat, der auf
einem Beistelltischchen stand. Das graue Gehäuse steckte in einer dunkelroten
Samthülle, die mit einer Goldborte gesäumt war.
»Aber Sie wissen, womit sich Michael Voogt vor seinen Kameraden in
der Bruderschaft so gerne brüstete und großtat?«
»Ach, wissen Sie, Herr Kommissar, das ist doch nur Imponiergehabe.
Das tun junge Männer, um sich vor den anderen zu beweisen. In meiner Jugend war
das nicht anders.«
»Sie wissen also, worüber die jungen Leute geredet haben?«
»Selbstverständlich. Die meisten kenne ich von klein auf. Alles
nette Jungens und völlig harmlos.«
Frank seufzte.
Ecki machte noch einen letzten Versuch. »Wie ist das Verhältnis
zwischen Herrn Thofondern und seiner Tochter Barbara?«
Der Apotheker legte die Fingerspitzen zusammen. »Kurt ist ein harter
Knochen. War er immer schon. Einer, der die Sprache der Bauern spricht. Er
verdient gutes Geld. Aber er ist fair zu den Bauern. Wäre es anders, hätte er
in dem Gewerbe keine Chance.«
»Ein harter Hund?«, fragte Ecki nach.
»Sie respektieren ihn. Er lässt sie leben und zieht sie nicht bis
aufs letzte Hemd aus.«
»Ist er auch hart zu seiner Tochter?«
»Barbara ist ein feines Mädchen. Aber sie hat immer schon eine feste
Hand gebraucht. Seit dem Tod der Mutter erst recht.«
»Woher wissen Sie, dass die Tochter des Viehhändlers eine feste Hand
braucht?«
»Es ist nicht gut, wenn Frauen ohne Führung sind. Barbara ist schon
als Mädchen viel mit den Jungens und später mit jungen Männern umhergezogen.«
»Wie hart ist Thofondern mit ihr umgegangen?«
»Geschlagen hat er sie jedenfalls nie.«
»Könnte Thofondern Voogt beseitigt haben?«
Inderbiethen war nicht erstaunt über die Frage. »Warum sollte Kurt
das tun? Er hätte sicher andere Mittel gehabt, um Voogt zur Räson zu bringen.«
»Welche Mittel meinen Sie?«
»Er hätte Voogt aus der Bruderschaft werfen können. Voogt arbeitete
doch als Einkäufer. Da hätte es nur weniger Fingerzeige bedurft, um Voogt bei
seinen Lieferanten unmöglich zu machen. Das wäre viel effektiver gewesen als
rohe Gewalt.«
Ecki stand unvermittelt auf. »Vielen Dank, Herr Inderbiethen.«
Frank hielt ihn zurück. »Was wissen Sie von den Drogengeschäften?«
Inderbiethen lächelte dünn. »Ich habe davon gelesen.«
»Das ist doch sicher ein Thema im Dorf gewesen, Voogts Kontakte zur
Drogenszene.« Ecki hatte sich wieder gesetzt.
»Wissen Sie, es wird so viel erzählt, den ganzen Tag hören Sie
Geschichten. Aber von Drogen ist da nicht die Rede.«
»Ich glaube Ihnen kein Wort.«
Inderbiethen machte eine bedauernde Geste. »Das werden Sie wohl
müssen. Noch Tee?«
»Es will mir nicht in den Sinn, dass dieses Dorf so naiv sein soll.«
Ecki schüttelte den Kopf.
»In unserer Bruderschaft wird der Grundsatz Glaube, Sitte, Heimat
gelebt. Und zwar jeden Tag. Das war schon in meiner Jugend so, und das war auch
zur Jugendzeit meiner Eltern und Großeltern nicht anders. Und daran wird sich
auch in Zukunft nichts ändern.«
—
»Ich habe in Beans Unterlagen nichts gefunden, das auch nur
im Entferntesten nach einem Ermittlungsansatz aussieht.«
»Hast du eine Idee?«, fragte Frank.
Der Archivar kratzte sich am Kopf. »Nee, keine Ahnung.«
»Das Dorf soll tatsächlich sauber sein?«
»Du wirst nur durch Zufall etwas erfahren, Frank. Auf dem Dorf
gelten andere Gesetze. Das ist so.«
»Ich kann diese ganze Dorfkacke nicht mehr hören.« Frank fuhr sich
mit beiden Händen durchs Haar und verschränkte sie hinter dem Kopf. »So
verschworen kann ein Dorf gar nicht sein, dass es nicht auch eine schwache
Stelle gibt. Das kann mir niemand erzählen.«
»Also, bei uns in Amern –« Weiter kam Schrievers nicht.
»Nee, jetzt bitte kein soziokultureller Vortrag über deine Heimat,
Heinz-Jürgen. Echt nicht.«
»Bitte sehr, ich wollte ja nur helfen.«
»Was ist mit dem Gastwirt?« Ecki sah Schrievers an.
Frank verdrehte die Augen. »Das haben wir doch alles schon
abgeklärt. Der Wirt ist sauber. Außer ein paar Querelen mit dem Gesundheitsamt
gibt es keine Auffälligkeiten.«
»Barbara war es nicht, der Vater auch nicht, die Mitglieder der
sauberen St.-Lambertus-Bruderschaft leben keusch nach ihrem hehren Grundsatz Glaube,
Sitte, Heimat, van Bommel und seine Männer scheiden aus, das Faktotum aus
Niederkrüchten ist zu blöd für einen Mord, und jetzt?«
»Jetzt geht’s auf den Weihnachtsmarkt.« Bernd
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