Schweinehunde / Roman
sonderlich eng befreundet waren wir nicht. Das war Helene aber mit niemandem in der Klasse.«
Poul Troulsen dachte, dass diese Information aus vielen der Berichte hervorging, die er gelesen hatte.
»Sie sind nicht die Erste, die das sagt.«
»Nein, sie blieb ziemlich für sich. Deshalb war ich auch kurz davor, Sie anzurufen und dieses Treffen hier abzusagen, ich kann Ihnen ja doch nichts mitteilen.«
Er spitzte die Ohren.
»Das haben Sie dann aber doch nicht getan …«
»Nein, habe ich nicht, denn vielleicht kann ich Ihnen ja helfen. Auf jeden Fall ein bisschen. Sehen Sie, ich habe damals Tagebuch geführt, und nachdem Sie angerufen haben, habe ich mir mein altes Gekritzel noch einmal vorgenommen. Das war nicht wirklich angenehm, und viel über Helene stand da auch nicht, fast nichts eigentlich. Aber irgendwie setzte das meine Gedanken in Gang, und mir kam mit einem Mal wieder etwas in den Sinn, das ich vergessen hatte. Helene und ich sind einmal zusammen in einem Auto gesessen. Ich weiß wirklich nicht mehr, wohin die Fahrt ging und ob noch andere Klassenkameraden mit dabei waren, nur dass sie wie besessen darauf bestanden hat, dass wir uns anschnallen. Ich habe natürlich nachgefragt, und sie hat mir von einer ehemaligen Freundin aus der neunten Klasse erzählt, die einen schlimmen Unfall gehabt hatte. Das Interessante daran ist natürlich, dass sie von einer
Freundin
gesprochen hat. Aber das ist leider alles, was ich Ihnen sagen kann, tut mir leid.«
Poul Troulsen fand ihre Aussage gar nicht so entmutigend.
»Das muss Ihnen nicht leidtun, vielleicht stellt sich das noch als ganz wichtiger Hinweis heraus.«
»Es geht um die Hinrichtungen in der Langebæk-Schule, nicht wahr?«
»Ja.«
»Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich will, dass Sie das aufklären.«
»Tja, da sind Sie nicht die Einzige. Aber Sie sind wenigstens ehrlich.«
Poul Troulsen stand auf, die Frau blieb sitzen.
»Ich finde das Ganze ziemlich kompliziert. Auf der einen Seite ist da natürlich ein Verbrechen begangen worden, andererseits … tja, wie gesagt, ich finde das ziemlich kompliziert.«
»Ich nicht, aber danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, uns zu helfen.«
Sie begleitete ihn nach draußen.
Als Poul Troulsen zu Helene Clausens alter Schule fuhr, pfiff er ein fröhliches Lied. Die Berichte sagten nichts über eine Freundin auf der Volksschule, vielleicht hatte er wirklich eine Spur.
Die Tranehøjschule war eine recht altmodische Schule, ein vierstöckiger, länglicher Block mit asphaltiertem Schulhof, einer Schulglocke und einem mittlerweile nicht mehr angeschlossenen, an die Außenwand montierten Waschbecken für die durstigen Kinder. Er folgte der Beschilderung zu den Lehrerzimmern und traf im Vorzimmer auf eine knapp fünfzigjährige Sekretärin. Sie hatte einen Kopfhörer auf und tippte etwas in den Computer. Poul Troulsen musste sich ein paarmal räuspern, um auf sich aufmerksam zu machen.
»Entschuldigen Sie, ich habe Sie nicht bemerkt. Stehen Sie schon lange da? Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Nein, nein, ich bin gerade erst gekommen. Sind Sie die Schulsekretärin?«
»Ja, wenn Sie so wollen.«
Er zeigte ihr seinen Polizeiausweis.
»Poul Troulsen, Kripo Kopenhagen.«
Die Frau legte den Kopfhörer auf den Schreibtisch, wo er leise weiterkrächzte.
»Oje, das klingt aber ernst.«
»Ist es aber nicht. Ich brauche bloß ein paar Informationen über eine frühere Schülerin.«
»Ihr Name?«
»Ja, genau das ist mein Problem. Wie lange sind Sie schon hier?«
»Länger, als ich denken kann. Im nächsten Jahr kann ich mein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum feiern.«
»Perfekt. Es geht nämlich um die neunte Klasse 1992/1993, ein Mädchen.«
»Tja, davon hatten wir einige. Ich hoffe, Sie haben noch ein paar weitere Informationen?«
Sie hatte ein angenehmes, lebensbejahendes Lächeln. Poul Troulsen lächelte zurück.
»Ja, die habe ich. Sie hatte einen Verkehrsunfall, es muss ziemlich schlimm gewesen sein.«
Er wollte eigentlich noch etwas über die Freundschaft zu Helene Clausen sagen, aber die Sekretärin kniff die Augen zusammen und fuhr mit einem Finger durch die Luft, so dass er schweigend abwartete.
Kurz darauf erhellte sich ihr Gesicht.
»Emilie, sie hieß Emilie. Ja, und es war ein fürchterlicher Unfall. Beide Mädchen wurden schlimm verletzt. Das ist oben in Helsingør passiert, und Emilie war selbst schuld. Sie war zu schnell und hatte getrunken, aber ich glaube, zu guter Letzt sind beide
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