Schweinehunde / Roman
wieder gesund geworden.«
Poul Troulsen runzelte die Stirn. Das konnte nicht stimmen. Neuntklässler hatten keinen Führerschein, aber die Sekretärin korrigierte sich, bevor er fragen konnte.
»Ja, ich meine, ihre große Schwester hat am Steuer gesessen. Sie war ein bisschen älter als Emilie, vier, fünf Jahre oder so, und eigentlich erinnere ich mich nur an sie. Sie war hier, als die Schule ihr fünfundsiebzigjähriges Bestehen gefeiert hat. Ich glaube, ich habe sogar kurz mit ihr gesprochen. An ihre kleine Schwester erinnere ich mich kaum, ich weiß nur noch, dass sie auch mit im Auto gesessen hat. Das war kurz nachdem sie von der Schule abgegangen war.«
»Der Nachname?«
Die Sekretärin schüttelte den Kopf.
»Nein, aber sie ist Ärztin geworden, falls das hilft. Seltsam, ich sehe sie ganz deutlich vor mir, aber die Erinnerung an ihre kleine Schwester ist wie ausgelöscht, wir müssen dann wohl in den Keller.«
»In den Keller?«
»Ja, wenn Sie mitkommen, werden wir ihren Nachnamen schon finden, und was es sonst noch über sie gibt. Da unten hebe ich die alten Jahrbücher auf. Wir sind hier zwar nicht das Staatsarchiv, aber es kommt gar nicht so selten vor, dass ich jemandem helfe, alte Schüler aufzuspüren. Sie wissen schon, Jahrgangstreffen und so etwas.«
Eine herrische, tiefe Stimme unterbrach sie.
»Sagen Sie mir bitte, was hier los ist?«
Der Direktor stand breit und mächtig in der Tür seines Büros. Poul Troulsen sah ihn an. Der stattliche Bauch spannte die roten Hosenträger bis zum Zerreißen, das Gesicht war fleischig und missgelaunt, und auf seinem kahlen Schädel thronte eine Brille mit Stahlrahmen.
»Ich bin von der Kriminalpolizei in Kopenhagen und versuche Informationen über eine …«
Der Direktor unterbrach ihn.
»Ja, das habe ich gehört. Und wofür brauchen Sie diese Informationen?«
»Wofür ich die brauche? Nun, es geht um die Aufklärung eines Verbrechens.«
»Was für ein Verbrechen?«
»Das spielt eigentlich keine Rolle«, erwiderte Poul Troulsen ärgerlich.
»Ich glaube zu wissen, um welches Verbrechen es geht. Ich habe Ihr Gesicht im Internet gesehen.«
»Und?«
»Haben Sie einen Durchsuchungsbeschluss?«
»Einen Durchsuchungsbeschluss? Warum das denn?«
»Das Schularchiv steht nicht so einfach jedem offen.« Mit schwerer Hand drückte er die Sekretärin, die aufgestanden war, wieder auf ihren Stuhl.
»Ich weiß natürlich, dass Sie nicht einverstanden sind, was diesen Punkt angeht, aber Sie werden schon noch akzeptieren, dass ich hier das Sagen habe. Ohne richtige Begründung rücken wir keine Schülerinformationen heraus.«
Die Augen der Sekretärin blitzten auf, und sie schob wütend seine Hand weg, während sie Poul Troulsen flehend ansah. Leider konnte er nichts tun.
»Verstehe ich das richtig? Sie weigern sich, mir zu helfen, und hindern mich somit daran, meine Arbeit zu tun?«
»Ihre Arbeit geht mich nichts an. Ich verwehre Ihnen den Zugang zu unseren Personendaten, solange Sie keinen Durchsuchungsbeschluss oder eine schriftliche Genehmigung eines meiner Vorgesetzten aus der Verwaltung vorweisen können, im Übrigen will ich darüber nicht mit Ihnen diskutieren.«
»Ihre Personendaten? Das ist ja wohl etwas hoch gegriffen, ich will doch nur einen Namen.«
»Wie gesagt, ich bin nicht bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren.«
»Dann werde ich wohl im Rathaus vorbeischauen müssen, um mit Ihren Vorgesetzten zu reden.«
Wenn Poul Troulsen gedacht hatte, dass er ihm damit Angst machen konnte, hatte er sich geirrt.
»Das ist eine wirklich gute Idee. Schulamtsleiter, Jugendamtsleiter und Kulturdirektor, Kommunaldirektor oder Bürgermeister, suchen Sie sich einen aus, Sie haben die Wahl.«
Er schien sich des Ausgangs des Gesprächs unangenehm sicher zu sein, egal, wen dieser Chefs Troulsen auch aufsuchen würde.
»Danke, herzlichen Dank, ich hoffe, wir haben bald wieder das Vergnügen.«
»Das hoffe ich nicht, aber wer weiß?«
Poul Troulsen fischte eine Visitenkarte aus seiner Jacke und reichte sie wortlos der Sekretärin. Was hätte er auch sagen sollen? Sie nahm die Karte unter den Augen des Direktors entgegen, dem es sichtlich in den Fingern kribbelte, sogar diese kleine Geste zu verhindern.
»Versuchen Sie’s, und ich verhafte Sie auf der Stelle. Wegen Behinderung meiner Arbeit oder wegen Fettsucht, was immer Sie wollen.«
Die Drohung zeigte Wirkung, und der Direktor hielt sich zurück. Leider.
»Schulamtsleiter, Jugendamtsleiter
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