Schweinehunde / Roman
Intellekt, sondern eben auch Ihr Herz. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede.«
Anni Staal drückte sich die Daumen. Der Gedanke widerstrebte ihm ganz offensichtlich, aber ihre Argumente zeigten Wirkung. Es dauerte lange, bis er schließlich antwortete: »Bei mir, morgen früh um zehn Uhr. Kein Fotograf.«
»Wunderbar, um zehn Uhr bei Ihnen, und der Fotograf macht nur ein einziges Foto von uns beim Gespräch, dann geht er wieder. Bei meiner Ehre.«
Konrad Simonsen machte eine ärgerliche Handbewegung, die sie als Bestätigung auffasste. Sie trennten sich ohne jede Herzlichkeit.
Niemand konnte Anni Staal den Vorwurf machen, sie ruhe sich auf ihren Lorbeeren aus. Das Exklusivinterview mit Konrad Simonsen war ein Riesentriumph, aber zurück auf der Arbeit, schob sie den Gedanken beiseite und konzentrierte sich die folgenden Stunden ganz auf die morgige Ausgabe. Sie lehnte einen Artikelvorschlag ihrer Volontärin ab, knallte ihr die zusammengefalteten Zettel auf den Schreibtisch und verpasste ihr damit einen Denkzettel für ihren Zusammenstoß in der Kantine ein paar Stunden zuvor.
»Das können Sie direkt in die Tonne treten!«
Anita Dahlgren blickte wütend zu ihr auf, wobei die Ablehnung sie nicht überraschte.
»Haben Sie den Artikel überhaupt gelesen? Dem Mann wurde die Stirn aufgeschlitzt, und das, als er schon ohnmächtig am Boden lag.«
Annis Staals Stimme war kalt und ihre Wortwahl noch zynischer und provozierender als eigentlich beabsichtigt. Sie hatte ihr Interview bekommen, so dass es keinen Grund mehr gab, Rücksicht auf diese Frau zu nehmen.
»Es ist mir egal, und wenn sie ihm den Schwanz abgeschnitten hätten. Was Sie geschrieben haben, ist nicht auf unserer Linie, und das wissen Sie ganz genau. So etwas wollen die Leute nicht lesen, und Schätzchen … so etwas wird hier nicht gedruckt werden.«
Anita Dahlgren stand auf, und ihre Stimme war schrill: »Ich bin nicht Ihr Schätzchen, und Sie sollten verdammt noch mal gewaltig aufpassen. Die Dinge sind nicht immer so, wie sie aussehen. Sollte es sich irgendwann zeigen, dass die Motive Ihres Schlachtfestes weniger edel sind und es nicht nur darum geht, Pädophile zur Abschreckung und Warnung öffentlich aufzuhängen, wird man Ihnen dieses gesamte einseitige Geschmiere noch um die Ohren hauen. Warten Sie nur, bis Ihre geliebten Leute einen Sündenbock fordern, ich weiß schon, wer dann ein paar kräftige Tritte in seinen fetten Arsch bekommt!«
Anni Staal erstarrte, all ihre Warnlampen blinkten auf. Inzwischen waren auch ein paar ihrer Kollegen auf sie aufmerksam geworden. Die Ausdrucksweise der jungen Journalistin war sogar für eine Zeitungsredaktion, in der man häufig kein Blatt vor den Mund nahm, mehr als harte Kost. Sie hatte eine Grenze überschritten, aber es war nicht die Beleidigung, die die Starjournalistin störte.
»Wie meinen Sie das?! Erläutern Sie mir die Hintergründe!«
Aber Anita Dahlgren wollte nichts mehr erläutern. Sie nahm ihre Handtasche und ging.
»Ich werde meine Quellen nie preisgeben.«
Anni Staal arbeitete weiter, es gelang ihr aber nicht, die Bemerkung von Anita Dahlgren abzuschütteln. Sie verfolgte sie den ganzen Tag, und mitunter war dieser Druck so stark, dass sie überlegte, ihren Polizeispitzel Nummer eins zu kontaktieren, auch auf die Gefahr hin, dass der Mann stinkwütend wurde. Es blieb aber bei dem Gedanken, denn gegen Abend rief er selbst an. Seine Nachricht erschien ihr wie ein Déjà-vu.
»Auf dem Parkplatz am Bürgerhaus in der Nansensgade. In einer halben Stunde, und bringen Sie Bargeld mit.«
Sie konnte kaum etwas erwidern, da hatte er bereits wieder aufgelegt.
Als sie ankam, saß Arne Pedersen dösend in seinem Auto. Sie setzte sich neben ihn.
»Guten Abend, mein kleines Singvögelchen. So spät noch unterwegs. Drücken die Finanzen wieder?«
Ihre Worte waren verletzend, und Arne Pedersen spürte, dass er sie mehr hasste, als gut für ihn war.
»Guten Abend, Anni. Mir wäre es recht, wenn Sie mich nicht so nennen würden, das ärgert mich.«
Sie entschuldigte sich, es war ihr bewusst, dass sie einen Fehler begangen hatte.
»Das wollte ich wirklich nicht, es tut mir leid. Aber jetzt raus mit der Sprache … was haben Sie für mich?«
»Es wird Sie fünftausend kosten, und Sie müssen versuchen, sich das von Simonsen noch irgendwie bestätigen zu lassen, bevor Sie es drucken. Mein Chef lässt sich langsam nicht mehr in die Karten blicken. Inzwischen traut er niemandem mehr, nicht
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