Schweinehunde / Roman
Bedenkzeit, bevor ich weiterrede? Wenn ihr meinen Vorschlag denn hören wollt.«
Anita Dahlgren brauchte nicht nachzudenken.
»Mein Job bei der Zeitung ist mir scheißegal, und was die Presseethik angeht, so ist es damit nicht weit her. Ich finde, das klingt spannend. Ist mein Lebensgefährte denn hübsch?«
Die Reaktionen der beiden Männer waren eine Spur zurückhaltender.
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62
K asper Plancks Abendrunde endete für Konrad Simonsen abrupt und unangenehm. Kaum dass sie alle Vereinbarungen über ihre offensive Pressestrategie getroffen hatten und sich alle entspannt zurücklehnen wollten, wurde er von der Klinik in Herlev angerufen, wo eine Krankenschwester der Chirurgie in den Kleidern eines Verletzten seine Visitenkarte gefunden hatte. Er entschuldigte sich und machte sich auf den Weg.
Eine gute halbe Stunde später war er da. Der Patient, es war kein Freund von ihm, schlief unruhig. Konrad Simonsen betrachtete ihn kopfschüttelnd, während seine Augen sich langsam an das Dunkel im Krankenzimmer gewöhnten. Die hellblaue Decke lag glatt gestrichen über dem Schlafenden, dessen Oberkörper leicht erhöht lag. Gleich mehrere Schläuche kamen aus der Nase des Mannes und führten zur Beatmungsmaschine, die leise brummte. Über der Stirn türmte sich ein turbanartiger Verband aus weißem Mull, und auf seiner gebrochenen Nase prangte ein dickes Pflaster, das ihm ein makaberes Aussehen verlieh.
»Wollen Sie wissen, was passiert ist?«
Konrad Simonsen drehte sich überrascht um. Ein Mann saß auf einem Stuhl etwas abseits des Bettes. Ohne eine Antwort abzuwarten, begann der Fremde leise zu erzählen: »Es waren sieben oder acht Leute. Sie haben im Eingang seines Hauses auf ihn gewartet. Ein paar hatten Baseballschläger dabei, und alle trugen Stiefel. Mich haben sie festgehalten, als sie sich auf ihn gestürzt haben. Er hatte keine Chance. Sie schlugen und traten auf ihn ein, so dass er in weniger als einer Minute bewusstlos und blutüberströmt auf dem Terrazzoboden lag.«
Konrad Simonsen antwortete ebenso leise: »Das ist wirklich schrecklich, und er ist nicht der Einzige, überall im ganzen Land passiert so etwas.«
»Das Schlimmste habe ich Ihnen noch gar nicht gesagt. Eine von ihnen hat ihm mit einem Taschenmesser die Stirn aufgeschnitten und dabei gesagt:
Für deine Untaten, all die Kindheiten, die du zerstört hast, den Schmerz, den du verbreitet hast.
Dann ritzte sie die erste Zahl ein. Wie ein perverses Ritual. Sogar den anderen Angreifern ging das ein bisschen weit, sie haben es aber nicht gewagt einzugreifen.«
»Was waren das für Sätze? Das habe ich nicht verstanden.«
»Die stammen aus einem schwülstigen Hassgedicht auf einer dieser Anti-Kinderschänder-Seiten, ich weiß nicht mehr genau, welche, aber an die Strophen erinnere ich mich. Sechsmal wurde es wiederholt, entsprechend der fünf Zahlen und der Punkte:
5, 6, … 7, 10, 20!,
seine ganze Stirn ist verunstaltet.«
Dem Mann versagte die Stimme.
»Ich kriege die Bilder nicht aus dem Kopf, ich halte das nicht aus. Ich brauche einen Moment Ruhe.«
Konrad Simonsen wandte dem Mann den Rücken zu. Es verging eine Weile, dann erklang die Stimme des Mannes aus dem Dunkel: »Jetzt geht es wieder.«
»Würden Sie den mit dem Messer wiedererkennen?«
»Das war eine Frau. Das heißt, eigentlich war sie noch ein Mädchen. Etwas derart Widerwärtiges habe ich wirklich noch nie gesehen, nicht einmal in einem Film. Die Männer um sie herum waren im Vergleich zu ihr wirklich Statisten. Selbst denen ging das zu weit, ich glaube fast, dass sie ein bisschen Angst vor ihr hatten.«
Der Mann starrte entgeistert in den dunklen Raum. Das schwache Licht der Nachtlampe fiel auf sein von Wehmut gekennzeichnetes Gesicht. Dann fügte er hinzu: »Den ganzen Tag über hatte er es nur mit Frauen zu tun, erst hat ihn eine gefeuert, dann hat ihn eine mit dem Messer verletzt, und jetzt die hier.«
»Oh, nein, seine Arbeit hat er auch verloren?«
»Ja, heute Nachmittag. Deshalb bin ich ja mit ihm nach Hause gegangen. Ich wollte ihn nicht allein lassen. Diese Hexe aus der Personalabteilung nannte als Grund eine Umstrukturierungsmaßnahme, dabei war vollkommen klar, dass das eine Lüge ist. Und ich kann Ihnen versichern, diese Frau hat ihren Auftritt richtig genossen. Mein Gott, war die abscheulich. Gerade frisch von der Handelshochschule, und in einem Kostüm aus der neuesten Herbstkollektion. Die Arroganz in Person, deren Moral unter all dem Puder nicht mehr zu
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