Schweinehunde / Roman
onrad Simonsen genoss die neunzigminütige Fahrt nach Ullerløse vier Kilometer nordöstlich von Vig im Kreis Odsherred. Der Himmel klarte auf, je weiter er nach Osten kam, und schon bald strahlte das dänische Bauernland um ihn herum im glänzenden Sonnenschein, was seine Laune noch weiter verbesserte.
Das Interview mit Anni Staal war vielversprechender verlaufen, als sie es erwartet hatten. Er hatte keinen Augenblick daran gezweifelt, dass sie mit der Gewissheit in die Redaktion zurückgefahren war, dass sie wieder einmal eine Sensation in der Tasche hatte, die das Land erschüttern und ihre Verkaufszahlen in Rekordhöhe treiben würde. Nachdem er ihr notgedrungen eingestanden hatte, dass es sich um Raubmord handelte, hatte er sie mit einer ganzen Reihe von Details gefüttert, die alle erstunken und erlogen waren, gleichwohl aber nicht widerlegt werden konnten. Außerdem hatte er darauf bestanden, dass der Recorder ausgeschaltet war, so dass sie auf ihre rudimentären Stenokenntnisse hatte zurückgreifen müssen und ihn später folglich nicht festnageln konnte. Ob ihr Artikel ausreichte, um die Selbstjustizgruppe zu erschüttern und den
Kletterer
mit der Hilfe von Erik Mørk aus seinem Versteck zu locken, würde sich zeigen. Die Hoffnung starb zuletzt.
Er fand das Dorf, das nur aus ein paar Häusern, einem Gemischtwarenladen und einer Kirche bestand, ohne Probleme, bremste den Wagen ab und fuhr langsam weiter, um sich einen Überblick zu verschaffen. Es schien hier keine Firmen und folglich auch keine Arbeitsplätze zu geben, und außer einer älteren Frau auf einem Fahrrad sah er niemanden. Bald hatte er die Felder auf der anderen Seite der Siedlung erreicht. Er machte kehrt, fuhr zurück und hielt vor dem Laden, der allem Anschein nach der Treffpunkt des Ortes war. Drinnen wurde er von einer übergewichtigen Ladenbesitzerin freundlich begrüßt, deren unaufhörliches, fröhliches Lachen richtiggehend ansteckend war.
»Wenn Sie etwas über die Vergangenheit von Ullerløse wissen wollen, müssen Sie mit dem alten Severinsen sprechen. Besser, Sie nehmen ein paar Bier mit, das hilft seinem Gedächtnis in der Regel deutlich auf die Sprünge.«
Lachend packte sie ihm zwei Skipsøl ein, bevor sie mit ihm aus dem Laden ging und grinsend auf das Haus zeigte, in dem der Alte wohnte.
Als er kurz darauf den Garten betrat, hörte er jemanden Holz hacken. Das Gesicht des drahtigen, alten Mannes war vom Wetter gegerbt. Er trug abgenutzte, grüne Arbeitskleider, und seine schütteren weißen Haare wehten immer wieder in sein ausdrucksstarkes, faltiges Gesicht. Als der Mann seinen Gast bemerkte, stellte er die Axt zur Seite. Ein Hund undefinierbarer Rasse hob kurz den Kopf, sah Konrad Simonsen an und schlief dann weiter. Nachdem er ihm die Hand gegeben hatte, führte der Alte ihn zu einer morschen Bank an der Hauswand, und Konrad Simonsen setzte sich todesmutig. Die Bank hielt, und er öffnete die Bierflaschen.
»Es heißt, Sie wohnen schon lange hier?«
»Mein ganzes Leben.«
»Ich bin aus Kopenhagen gekommen, um etwas über die Brüder Frank und Allan Ditlevsen zu erfahren. Erinnern Sie sich an die?«
Der alte Mann trank einen Schluck Bier, und Konrad Simonsen folgte seinem Beispiel. Dann spuckte der Alte verächtlich aus, und Simonsen tat es ihm nach. Das Bier schmeckte wirklich scheußlich.
»Sie mochten sie nicht?«
»Nein, das waren keine anständigen Leute. Hingen die ganze Zeit in der Kneipe herum, arbeiteten kaum und betrogen, wo immer es ging.«
Plötzlich trat ein fast schelmischer Ausdruck in sein altes Gesicht.
»Sie sind tot, jemand hat sie in der Hauptstadt aufgehängt, aber was Besseres hatten sie auch nicht verdient.«
Seine Worte entsprachen nicht ganz den Fakten, aber Simonsen korrigierte ihn nicht.
»Als wir noch Kinder waren, habe ich ihrem Vater mal eine ordentliche Abreibung verpasst. Der ist natürlich auch schon tot, schon lange, aber niemand vermisst den hier. Das waren Distelgemüter, alle drei, wenn Sie mich fragen.«
»Ich würde Ihnen gerne ein paar Namen nennen, vielleicht sagen die Ihnen etwas.«
»Na dann los.«
»Andreas Linke?«
Der Alte dachte gründlich nach. Dann sagte er: »Andreas, tja, ich bin mir nicht sicher … an Jahreszahlen und Gesichter kann ich mich gut erinnern, aber Namen vergesse ich.«
»Dann kennen Sie ihn nicht?«
»Vielleicht, Andreas – das könnte der Sohn sein, also der Enkel, aber Linke sagt mir natürlich etwas. Das ist der Deutsche. Wir haben
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