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Schweinehunde / Roman

Schweinehunde / Roman

Titel: Schweinehunde / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte & Søren HAMMER
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ihn damals immer nur den Deutschen genannt, obwohl er ja eigentlich Linke hieß. Er wohnte viele Jahre hier, übrigens direkt neben diesen Brüdern.«
    Konrad Simonsen wurde von einem starken Triumphgefühl überwältigt. Es begann mit einer ungeheuren Erleichterung, wuchs zu einem undefinierbaren, fast prahlerischen Stolz heran und kulminierte in einem innerlichen Jubelschrei, der alles um ihn herum in ein Davor und Danach unterteilte.
Kletterer
war gefunden!
    Am liebsten hätte er eine Runde durch den Garten gedreht und das Gefühl genossen, aber wozu sollte das gut sein? Er setzte das Gespräch fort: »Sie waren Nachbarn?«
    »Ja, wenn auch die Adressen unterschiedlich waren. Der Deutsche wohnte in der Seitenstraße neben der Kirche. Sie beschreibt einen langen Bogen, so dass die letzten beiden Häuser am Waldrand direkt hinter dem Haus an der Hauptstraße liegen, in dem die Brüder wohnten. Jetzt gehört es einem aus Kopenhagen, aber der ist nie da.«
    »Können Sie mir etwas über den Deutschen erzählen?«
    Der alte Mann nickte, blieb aber eine ganze Weile nachdenklich sitzen, bevor er zu erzählen begann.
    »Tja, der Deutsche, das ist eine lange Geschichte. Er zog nach dem Krieg, 1945, mit seiner Frau hierher. Sie wollten weit weg, brauchten einen Neuanfang, denn die Frau hatte wohl einiges hinter sich. Sie war kahlgeschoren, wissen Sie. Damals wollten viele nichts mit diesen Leuten zu tun haben. Später haben sie dann auch ihn geholt. Ein richtiger Deutscher war er eigentlich auch nicht, er stammte aus Tønder, gehörte der dortigen Minderheit an, hatte aber trotzdem auf Hitlers Seite gekämpft, so dass er ein paar Jahre einsitzen musste, während seine Frau das Kind bekam und so weiter. Ja, sie war nicht gerade eine liebevolle Mutter, und auch er soll einiges auf dem Kerbholz gehabt haben, aber vermutlich waren das vor allem Gerüchte, sonst wäre er ja wohl kaum schon nach drei Jahren wieder rausgekommen.«
    »Die Frau hat ein Kind bekommen?«
    »Ja, ein Mädchen, und später – während er im Gefängnis war – hat sie noch ein Kind gekriegt, aber das hat sie weggegeben. Ja, sie war ziemlich liederlich, aber … also, ich meine, es war ja auch nicht leicht für sie, so allein … Als er 1949 zurückkam, haben sie sich wieder einigermaßen versöhnt, ab da konnten sie sich beide um ihr Auskommen kümmern. Er half als Arbeiter auf den Bauernhöfen, als Tagelöhner, wie das damals hieß. Er war stark, und mit der Zeit dachte man weniger an den Krieg, so dass er bald richtig gefragt war. Das Mädchen war inzwischen schon recht groß und verdammt hübsch. Irgendwann um 1960 oder 1961 herum kam sie in Nykøbing in die Lehre, war aber bald darauf schon wieder zurück, mit einem Braten in der Röhre, wenn Sie verstehen. Ja, ja, sie kam ganz nach ihrer Mutter, so dass die Alten wieder von vorn anfangen mussten.«
    »Sie war schwanger?«
    »Das können Sie ruhig glauben, dabei war sie kaum älter als sechzehn. Die Alten waren nicht gerade begeistert, aber irgendwie waren sie es ja gewohnt. Damals hatte der Deutsche eine feste Arbeit in einer Autowerkstatt in Vig, und Mutter und Tochter versorgten den Gemüsegarten und die Hühner und so weiter, so dass sie sich ein kleines Zubrot verdienen konnten. Außerdem kümmerten sie sich um das Kind. Aber dann kam das Feuer. Das war 1964, im Oktober, das weiß ich noch genau. Eine traurige Geschichte.«
    »Ihr Haus ist abgebrannt?«
    »Genau, irgendein Fehler in der Elektrizität, das waren noch ganz alte Leitungen, mitten in der Nacht fing es an zu brennen. Der Deutsche konnte seinen Enkel retten, aber die beiden anderen sind bei dem Feuer ums Leben gekommen.«
    »Dann war er danach allein mit seinem Enkel?«
    »Ja, und einem ausgebrannten Haus. Von der Versicherung hat er ein bisschen was erstattet bekommen, aber das meiste musste er für den Aufbau selbst bezahlen, auch wenn wir ihm alle geholfen haben. Er wurde damals zunehmend sonderbar. Als verstünde er die Welt nicht mehr. Die Ostfront hatte er verkraftet, nicht aber dieses Feuer.«
    »Dann wohnte der Junge allein bei seinem Großvater?«
    »Ja, bis 1975 oder 1976, dann starb der Deutsche. Ab da hat die Gemeinde sich um den Jungen gekümmert, aber zu diesem Zeitpunkt war er ja schon beinahe erwachsen. Oder nein, warten Sie, ich glaube, er ist zu irgendwelchen Verwandten nach Deutschland gekommen.«
    Konrad Simonsen zwang sich, einen kleinen Schluck von seinem Bier zu trinken. Der Alte bemerkte seinen

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