Schweinehunde / Roman
beseitigt werden.
Die Therapie vertreibt die Angst, und Onkel Bernhard vertreibt den Hund.
Sie spürt seinen feuchten Atem im Nacken, riecht seine Brillantine.
Sie hört ihn schwer atmen, spürt, wie seine Finger sie öffnen.
Helle Smidt Jørgensen schreit nicht. Es hat keinen Zweck.
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11
D ie Finger des jungen Mannes flogen über die Tasten, es hörte sich an wie ein Streifen Papier in den Speichen eines Kinderfahrrades. Die Comtesse unterbrach ihre Lektüre und betrachtete ihn verstohlen. Er hatte blonde, lockige Haare, blaue Augen und ein offenes Gesicht, war von schmächtiger Statur, und seine Bekleidung war, freundlich ausgedrückt, zusammengewürfelt. Seine Oberlippe schmückte das flaumige Vorstadium eines Bartes, doch wenn er lächelte, konnte man kaum den Drang unterdrücken, ihm über den Kopf zu streicheln und ihn aus der gnadenlosen Welt zu retten, die ihm sonst kaum Überlebenschancen lassen würde. Fand sie.
Malte Brorup hob die Augen, als hätte er ihren Blick bemerkt, und nahm die Finger von der Tastatur.
»Die mit diesem netten Outfit, ist die auch Kommissarin?«
»Ja, sie heißt Pauline. Aber das hat sie dir gesagt.«
»Sorry, vermutlich hat sie das. Ich habe wohl mehr mit den Augen als mit den Ohren zugehört.«
»Da bist du nicht der Einzige.«
»Und diese andere? Diese … na die andere eben.«
»Die ist Psychologin, die muss mit uns reden.«
»Was hat sie gemacht?«
»Nichts. Wie läuft’s mit dem Laptop?«
»Gleich fertig, ich habe eine SMS an den mit dem Bart geschickt, an diesen merkwürdigen … Moment … gleich hab ich’s.«
Das Adressbuch der Comtesse öffnete sich auf dem Bildschirm. Der Computer schien wirklich die natürliche Verlängerung seiner Gedanken zu sein.
»Poul Troulsen. Die Namen muss ich noch lernen. Der ist zu McDonald’s, richtig?«
»Zu einer Pizzeria. Was hast du ihm geschrieben?«
»Ob er ein paar Cola mitbringen kann. War das falsch? Ich bezahle natürlich selbst.«
»Nein, falsch nicht, ich bezweifle aber, dass er SMS liest.«
Er sah auf den Bildschirm, erkannte dann aber, dass dort keine Hilfe zu holen war, und zuckte mit den Schultern.
»Morgen gehen wir zurück ins Präsidium, dort kannst du dir in der Kantine eine Cola kaufen.«
»Cool. Treffe ich dann auch den Boss? Diesen dicken. Ich habe ihn gestern im Fernsehen gesehen.«
»Dem wirst du heute noch begegnen, aber nenne ihn nicht dick.«
»Nicht richtig dick, nur ein bisschen, meine ich.«
»Nenn ihn nicht dick, auch nicht nur ein bisschen.«
»Okay.«
»Er heißt Konrad Simonsen, und im Augenblick ist er mit einem Gast unten in der Turnhalle. Vielleicht können wir ihn uns schnappen, bevor er zurück in die Stadt fährt.«
Malte Brorup erstarrte wie ein Bild auf einem Bildschirm.
»Ich würde am liebsten keinem dieser Toten begegnen. Wenn sich das irgendwie vermeiden ließe.«
»Das wirst du auch nicht, die Toten sind längst weggebracht worden.«
»Cool.«
»Ja, das sollte man annehmen.«
Ob die Toten aber wirklich ganz verschwunden waren, hing davon ab, wen man fragte. Die Frau, die in diesem Augenblick in einem Taxi vorfuhr, würde dieser Fragestellung vermutlich ein paar interessante Aspekte hinzufügen.
Konrad Simonsen drückte mürrisch seine Zigarette in einem, schwarzen Streifen an der Mauer aus, als er das Auto kommen sah. Er war nervös, fast gereizt. Die Nacht war viel zu kurz gewesen, und sein Kopf drohte vor all den Informationen, mit denen er irgendwie umgehen musste, zu platzen. Man erwartete von ihm, alles unter Kontrolle zu haben. Dabei ging alles wild durcheinander, und kaum konnte er eine Sache aus der Hand geben, bekam er zwei neue. So war das aber immer zu Beginn eines Falls, ganz besonders bei einem derart großen Fall wie diesem, doch dieses Wissen war ihm nicht wirklich ein Trost. Dazu kam noch, dass er gestern nicht nur versäumt hatte, Anna Mia anzurufen, obwohl er ihr es hoch und heilig versprochen hatte, sondern auch, sich bei der Comtesse für das Schachbuch zu bedanken, was er sich nicht weniger fest vorgenommen hatte. Das war wirklich ärgerlich, und als wäre das nicht genug, hatte er sich in einem schlecht geplanten Anfall vorgenommen, seine Ernährung umzustellen, und zum Frühstück nur ein Joghurt gegessen, so dass er zu allem Überfluss auch noch schrecklich hungrig war. Er verzog seine Lippen zu einem steifen Lächeln und ging seinem Gast entgegen.
Sie war eine kleine, farblose Frau, die sich kaum vom Asphalt abhob. Sie
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