Schweinehunde / Roman
so starrköpfig, bloß weil sie in ihrer Sprechzeit private Ferngespräche geführt hat?«
»Genau. Als ich nämlich die Nummer gewählt habe, erreichte ich einen Anrufbeantworter, der mir sagte, Ingrid Lubert sei im Augenblick nicht erreichbar. Danach habe ich ihren Schwager angerufen, um mit ihm die weiteren Schritte zu besprechen, ihr wisst ja, der ist Rechtsanwalt. Er war sehr kooperativ. Er sagte mir, seine zweite Schwägerin arbeite für Danida in Südafrika, und er versprach mir, noch einmal mit Ditte Lubert zu reden, doch dann schien das Gespräch irgendwie auf seiner Seite gestört zu sein.«
Sie formte ihre Hand wie ein Handy, machte gekonnt die Geräusche einer schlechten Verbindung nach und fuhr dann lachend fort: »Als er mich wieder hörte, wollte er wissen, ob ich tatsächlich gesagt hätte, dass seine Schwägerin durch das Führen von Privatgesprächen während der Dienstzeit ihre Stellung als leitende Schulpsychologin verlieren und zur einfachen Psychologin herabgestuft werden könnte, wenn sie ihren Fehler nicht wiedergutmache und mit der Polizei zusammenarbeite. Ich konnte ihm da ja kaum widersprechen. Zwanzig Minuten später tauchte Ditte Lubert hier auf. Ohne Rechtsanwalt.«
»Das muss ja eine Genugtuung gewesen sein. Das reinste Fest«, sagte Poul Troulsen.
»Wie ein Zahnarztbesuch. Sie war noch immer sperrig und schlecht gelaunt, gab aber klein bei und gestand, dass sie am Mittwoch ihre Schwester angerufen hatte. Aus Kostengründen war sie in die Schule gegangen und hatte vom Diensttelefon aus telefoniert, damit niemand ihr Vergehen bemerkt. Das Gespräch dauerte von 13.21 Uhr bis 13.54 Uhr, das wissen wir von der Telefongesellschaft. Auf dem Rückweg ist ihr ein weißer Kleinbus aufgefallen, der vom Hintereingang der Schule wegfuhr. Das muss so gegen zwei Uhr gewesen sein, aber das war leider alles, was sie gesehen hat. Sosehr ich sie auch unter Druck gesetzt habe, mehr konnte ich aus ihr nicht herauskriegen. Dieses Mal aber nicht aus bösem Willen. Ich glaube, sie weiß wirklich nicht mehr.«
»Aber sie ist sich sicher, dass es ein Kleinbus war?«, fragte Arne Pedersen.
»Vollkommen sicher. Leider gibt es die in diversen Ausführungen, die kleinsten haben acht Sitze und die größten mehr als zwanzig. Ich schicke morgen einen Fahrzeugexperten zu ihr nach Hause, ich glaube aber nicht, dass dabei etwas herauskommt.«
Konrad Simonsen übernahm.
»Jetzt wissen wir wenigstens, wie die Opfer in die Schule gekommen sind. Wer sie sind, warum sie getötet wurden und warum niemand sie vermisst, ist aber weiterhin unklar. Natürlich hat es eine Vielzahl von Hinweisen gegeben, aber noch keine, die wir wirklich nutzen können. Wir können nur annehmen, dass alle die Betreffenden in Urlaub wähnen und sie erst später vermisst gemeldet werden. Comtesse, du organisierst eine neue Runde bei den Nachbarn, mit Fokus auf den weißen Kleinbus. Am besten noch heute Abend, leider.«
Die Comtesse stimmte zu, und auch Pauline Berg stellte sich zur Verfügung, sie hatte noch immer ein schlechtes Gewissen.
Die Besprechung war zu Ende, Konrad Simonsen erhob sich, blieb dann aber mitten im Raum stehen. Seine Mitarbeiter beobachteten ihn, als er für einen Moment mit leicht hin und her pendelndem Oberkörper dastand und nachdachte. Dann holte er tief Luft und stellte eine Frage. Er kopierte dabei seinen alten Chef Kasper Planck, obgleich er selbst diese Prüfungssituationen immer gehasst hatte.
»Was ist der Unterschied zwischen einer Hinrichtung und einem Mord?«
Niemand schien antworten zu wollen, aber die Frage war wohl auch nur als Stichwort für ihn gedacht.
»Eine Hinrichtung ist legitim, ein Mord nicht. Der Staat hat das Recht, seine Bürger umzubringen. Die Bürger untereinander haben dieses Recht nicht. Dabei ist die eigentliche Handlung im Grunde die gleiche. Für den Menschen, der umgebracht wird, macht es keinen großen Unterschied, ob er von einem Henker geköpft oder von seinem Nachbarn erwürgt wird. Juristisch und soziologisch liegen allerdings Welten zwischen diesen beiden Handlungen. Der Henker bewahrt die öffentliche Ordnung, während der mörderische Nachbar sie bricht, ich glaube diese
Ordnung
ist das Schlüsselwort in diesem Fall.«
Er machte reichlich viele Worte, und auch die Pointe saß nicht richtig, aber Simonsen war ein Mann, dem rechte Winkel und ausgewogene Zusammenhänge wichtig waren. Als er endlich schwieg, zweifelte keiner seiner Zuhörer mehr daran, dass Hinrichtungen
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