Schweinehunde / Roman
einen gewissen Ordnungsaspekt hatten.
Die Comtesse kam ihm zu Hilfe und fasste seine Worte noch einmal zusammen: »Durch den Begriff ›Hinrichtung‹ soll sich die Tat von einem simplen Mehrfachmord unterscheiden. Aber …«
Sie kam ins Stocken, und Konrad Simonsen übernahm wieder.
»Genau,
aber!
Uns interessiert nämlich hier die Ausnahme! Und noch etwas: Ich möchte euch in diesem Zusammenhang bitten, von jetzt ab nicht mehr das Wort
Hinrichtung
zu benutzen. Nun zu der großen Frage: Warum die Verstümmelungen? Die passen nicht ins Bild. Im Grunde stehen sie im Widerspruch zu allem, was ich gerade gesagt habe. Also entweder irre ich mich, was Ordnung und Legitimität angeht, oder aber die Misshandlungen waren so zwingend notwendig, dass sich die Täter zwangsläufig damit abfinden mussten, auch wenn die Aussage ihrer Tat damit abgeschwächt wurde.«
Die Comtesse führte den Gedanken weiter.
»Geht es um die Identifikation?«
»Ja, das ist die wahrscheinlichste Erklärung, aber wer immer dahintersteht, sollte wissen, dass wir die Identität der Toten früher oder später herausfinden, wie sehr sie die Leichen auch verstümmelt haben.«
»Um Zeit zu gewinnen«, meldete sich Arne Pedersen zu Wort.
»Ja, das ist gut möglich. Auf jeden Fall bringt uns das zu ein paar interessanten Fragen. Zum Beispiel, wofür die Hintermänner diese Zeit brauchen. Außerdem: Es macht Sinn, die Gesichter der Männer zu zerstören und ihnen ihre Kleider abzunehmen, aber warum die Hände? Das ist nur dann nachzuvollziehen, wenn die Fingerabdrücke der Männer registriert, sie also einmal straffällig geworden sind. Und was ist mit den Geschlechtsorganen, die sind für eine Identifizierung doch vollkommen irrelevant? Denkt mal über diese Fragen nach. Diskutiert in eurer so üppig bemessenen Freizeit darüber und gebt mir eine Rückmeldung, wenn ihr glaubt, Antworten oder – was ebenso wichtig ist – weitere gute Fragen gefunden zu haben.«
Während des letzten Satzes war Simonsen langsam zur Tür gegangen. Er hatte vorgehabt, den Raum zu verlassen, sobald er mit seinem kleinen Vortrag zu Ende war, aber dieses Projekt missglückte ganz und gar, denn draußen wartete Malte Brorup mit einem Zettel in der Hand. Er schien dort schon eine ganze Weile gestanden zu haben, vermutlich hatte er es nicht gewagt, sie zu unterbrechen, doch bevor er etwas sagen konnte, kam Arne Pedersen zu Konrad Simonsen geeilt und schob Malte Brorup zur Seite. Simonsen war kurz angebunden: »Kann das warten, Arne?«
Pedersen ignorierte die Frage.
»Sie hat mich vor einer Stunde angerufen, wie du es erwartet hast.«
»Wer hat angerufen?«
»Diese Anni Staal vom
Dagbladet.
«
»Und was hat sie gesagt?«
»Tja, also, das hat einige Zeit gedauert. Sie war sehr vorsichtig, und ich habe mich natürlich geziert und alle möglichen Vorbehalte geltend gemacht … das war ein richtiges Schauspiel …«
Konrad Simonsen unterbrach ihn.
»Und das Ergebnis?«
»Ich liefere ihr Informationen, wenn ich welche habe, und sie … wie soll ich das ausdrücken … entschädigt mich für meinen Aufwand. Verdammt, Konrad, – das ist ja wie in einer schlechten amerikanischen Fernsehserie, so etwas sieht dir überhaupt nicht ähnlich. Und was soll ich mit dem Geld …«
Wieder fiel Simonsen ihm ins Wort. Dieses Mal mit erhobener Hand.
»Davon will ich nichts wissen.«
»Okay, okay, ich habe nichts gesagt. Aber das war doch Plancks Idee, oder?«
»Im Großen und Ganzen.«
»Das Ganze ist unlogisch, wenn nicht sogar ziemlich daneben.«
»Er glaubt, dass uns das noch nutzen kann.«
»Das ist unlogisch, er schätzt die Lage völlig falsch ein.«
Jetzt nahm Simonsen sich doch noch Zeit für das Gespräch und sagte leise, aber mit Nachdruck: »Du hast ja recht, aber ich habe mehr als zwanzig Jahre mit Kasper Planck zusammengearbeitet und könnte dir aus dem Stegreif mindestens zwei Fälle nennen, bei denen sein unlogisches und vielleicht falsches Gespür sogar Menschenleben gerettet hat. Ganz zu schweigen von den unzähligen Malen, bei denen uns dieses Gespür geholfen hat, Fälle zu lösen. Aber du kannst jederzeit wieder aussteigen, wenn du …«
Dieses Mal war es an Arne Pedersen, ihn zu unterbrechen. Resigniert lenkte er ein: »Nein, nein, ist schon in Ordnung. Ich wollte dich nur informieren.«
Arne Pedersen trat zur Seite, und Malte Brorup war als Nächster an der Reihe. Der Junge trat rasch auf seinen Chef zu, als er bemerkte, dass er freie Bahn
Weitere Kostenlose Bücher