Schweinehunde / Roman
der Hand hielt, traf den Mann auf der Stirn. Sein Körper sackte zusammen, und der Kopf des Mannes bot sich ihm auf einem der Zeitungsstapel dar. Aus seiner Nase sickerte Blut auf die Schlagzeilen des Tages. Der Henker trat einen Schritt nach links und legte all seine Kraft in den nächsten Schlag. Er war stark wie ein Ochse und traf den Nacken seines Opfers ohne Probleme. Zehn Sekunden später war er zurück an seinem Baum, wo er ohne Rücksicht auf den Lärm die Motorsäge startete.
Ein ohrenbetäubendes Krachen zerriss die morgendliche Stille. Die Schallwelle rollte durch die Straßen, wurde an den Hauswänden zurückgeworfen, erschütterte die Erde und riss die Menschen aus dem Schlaf.
Kletterer
lächelte in die Dunkelheit und gönnte sich noch einen letzten Blick auf sein Werk, bevor er verschwand.
[home]
28
E ine Polizeifotografin hob eine Zeitung von dem Platz in Allerslev auf, auf dem
Kletterer
vor gut fünf Stunden seinen Baum gefällt hatte. Eine Annonce hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. Der Wind zerrte an dem Papier, so dass sie die Zeitung so klein zusammenfaltete, bis nur noch die Anzeige zu lesen war. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, aber trotzdem blieben ihre Augen an den dort formulierten Fragen hängen, so dass sie den Feuerwehrmann, der sich von hinten näherte, erst bemerkte, als er ihr die Hand auf die Schulter legte.
»Ich glaube, Sie sollten ein paar Meter zur Seite treten, Fräulein.«
Wütend über die Anrede, schwang sie herum, bemerkte dann aber, dass sie den Mann kannte. Er grinste.
»Entschuldigunge, als ich dich gesehen habe, konnte ich einfach nicht widerstehen, aber Spaß beiseite, es stimmt wirklich, du bist zu dicht dran. In so einem Baum stecken ungeheure Kräfte, unvorhersehbare Spannungen. Das ist wie bei diesen Windbrüchen. Wenn ein kräftiger Zweig nach hinten schlägt, kann der dich wie einen Schmetterling aufspießen. Und das wollen wir doch nicht, ein Toter ist wirklich genug.«
Er nickte in Richtung des Stammes, und sie folgte seinem Blick. Der große Baum blockierte fast den ganzen Platz. In seiner Krone arbeiteten sich fünf Männer zielgerichtet und sorgsam mit ihren kleinen Motorsägen zu der zerschmetterten Imbissbude vor.
Sie trat ein paar Schritte zurück und ließ ihre Zeitung mit dem Wind davonfliegen. Der ganze Platz lag voller Papier, so dass es auf die eine Zeitung auch nicht mehr ankam. Der Feuerwehrmann folgte ihr.
»Du siehst müde aus.«
»Das bin ich auch. Ich habe die Nacht durchgearbeitet und sollte eigentlich in meinem Bett liegen. Was meinst du, wie lange dauert es noch, bis ich anfangen kann?«
»Höchstens zehn Minuten, wir sind gleich fertig. Wo hast du denn heute Nacht gearbeitet?«
»In der Gerichtsmedizin in Kopenhagen. Das ist echt hart, fürchterlich makaber, aber wahnsinnig interessant. Ich gehöre zu einem Team von plastischen Chirurgen, Modellierern, Rechtsmedizinern und Computerexperten. Ein paar von denen kommen sogar aus dem Ausland. Geleitet wird die Gruppe von einem liebenswürdigen alten Patriarchen, der leider nicht viel von Schlaf hält, so dass ich erst heute Morgen wieder zurück in Odense war. Und dann wurde ich gleich hierher bestellt.«
»Geht es um die Pädophilen aus Bagsværd?«
»Ja, genau. Obwohl ich mir gar nicht sicher bin, ob das wirklich Pädophile waren. Das kann man den Menschen ja nicht ansehen. Erst recht nicht, wenn sie tot sind.«
Ein Kriminaltechniker rief sie. Er zeigte auf eine halbvolle Flasche Bier am Fuß des Baumes. Sie sah den Feuerwehrmann fragend an und ging erst, als dieser ihr sein Okay gab. Dann machte sie ihre Kamera bereit. Es war ein Elefantenbier. Als sie sich in Position brachte und in die Hocke ging, nahm sie mit einem Mal den scharfen Uringestank wahr. Routiniert zoomte sie die Flasche heran, ohne sich bei ihrer Arbeit von dem Gestank ablenken zu lassen. Erst als sie fertig war, rümpfte sie die Nase, und als sie wieder im Wind stand, atmete sie tief durch. Dann rief ihr jemand zu, dass der Weg frei sei.
Der Kriminaltechniker, der sie auf die Flasche hingewiesen hatte, führte sie zu dem Toten. Der Mann war von dem Baum zu Boden gerissen worden. Er lag mit ihr zugewandtem Kopf auf dem Bauch, am Boden festgenagelt von einem dicken Buchenzweig, der ihm im Bereich der Lendenwirbelsäule in den Körper eingedrungen und in der Magenregion wieder ausgetreten war, als hätte Gott mit himmlischer Wut einen gigantischen Pfeil abgeschossen. Sie hatte kaum einen Blick auf die Leiche
Weitere Kostenlose Bücher